FUSSBALL-WM: SCHÄUBLE NUTZT JEDE CHANCE ZUM BUNDESWEHREINSATZ
: Im Zweifel gegen die Zivilgesellschaft

Der Bundesinnenminister ist derzeit um seinen Job nicht zu beneiden. Bei der Fußballweltmeisterschaft soll er Sicherheit garantieren, aber dennoch nicht die heitere Atmosphäre stören. Wenn alles gut geht, werden viele Leute einander auf die Schultern klopfen. Wenn etwas passiert, dann wird schnell nach Schuldigen gesucht werden – und der zuständige Minister dürfte zu den Ersten gehören, auf die anklagend mit dem Finger gezeigt wird.

Das ist nicht nur ungerecht, sondern auch in politischer Hinsicht fatal. Anschläge lassen sich niemals ausschließen. Für diese Erkenntnis genügt der gesunde Menschenverstand. Dennoch senkt sich in der Diskussion über Grenzen von Sicherheit und Freiheit die Waagschale der öffentlichen Meinung nach einem Attentat regelmäßig zugunsten der Sicherheit. Zumindest im eigenen Interesse handeln Verantwortliche deshalb vernünftig, wenn sie sich im Zweifelsfall dafür entscheiden, Freiheiten zu beschneiden und Grundsätze einer demokratischen Zivilgesellschaft hintanzusetzen.

Diese Ausgangslage würde jeden Innenminister vor ein Problem stellen. Das Mitgefühl mit Wolfgang Schäuble hält sich dennoch in Grenzen. Denn der CDU-Politiker entschärft den – unvermeidlichen – Zielkonflikt nicht etwa, indem er ihn wenigstens thematisiert. Sondern er erweckt den Eindruck, ihn zusätzlich anheizen zu wollen, um lang gehegte politische Wünsche durchzusetzen. Konkret: um endlich alle Widerstände gegen den Einsatz der Bundeswehr im Inneren zu brechen.

Es lässt sich gewiss darüber streiten, ob solche Einsätze die Demokratie in ihren Grundfesten erschüttern muss. Schließlich gibt es viele EU-Länder, die in diesem Zusammenhang anders entschieden haben als die Bundesrepublik. Schäubles regelmäßige Versuche, den Aufgabenbereich der Bundeswehr zu erweitern – letztes Beispiel: der Wunsch nach Awacs-Aufklärungsflügen zum Schutz von Stadien – erzeugt aus einem anderen Grund tiefes Unbehagen. Weil nämlich der Verdacht allmählich unabweisbar wird, dass der Spitzenpolitiker die unbestreitbar reale Gefährdung von Menschenleben für eigene politische Zwecke instrumentalisiert. Das ließe sich kaum anders als zynisch bezeichnen. BETTINA GAUS