RICHARD ROTHER ÜBER DAS URTEIL ZUM POSTMINDESTLOHN
: Der Sog nach unten

Die Gegner halbwegs anständiger Arbeitsbedingungen werden jubeln: Der Mindestlohn in der Postbranche ist rechtswidrig. Das hat das Bundesverwaltungsgericht am Donnerstag entschieden. Grund für dieses Urteil ist ein Verfahrensfehler des Bundesarbeitsministeriums.

Dieser Fehler muss schnellstens korrigiert werden, der Ball liegt jetzt bei Bundesarbeitsministerin von der Leyen (CDU). Noch wichtiger: Der ganze Wirrwarr um Branchenmindestlöhne muss beendet und ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt werden.

Das Verfahren, zu branchenbezogenen Mindestlöhnen zu kommen, ist nämlich viel zu kompliziert. Zudem können die Gewerkschaften ohne die Zustimmung der Arbeitgeber wenig ausrichten. Deshalb gibt es etwa im Leiharbeitsgewerbe keinen Mindestlohn, obwohl hier häufig haarsträubend niedrige Löhne gezahlt werden. Der Sog nach unten, der auch immer mehr Menschen aus der Mittelschicht erfasst, kann nur durch die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes gestoppt werden. Dieser würde die Löhne insgesamt stabilisieren.

Aber selbst ein gesetzlicher Mindestlohn reichte nicht, die neoliberalen Verwerfungen der vergangenen Jahre zu korrigieren. Auch Mindestlöhne können umgangen werden, zum Beispiel durch unbezahlte Überstunden. Zudem setzen befristete Arbeitsverhältnisse und die Ausbreitung der Leiharbeit die Beschäftigten unter Druck. Das wiederum schwächt die Gewerkschaften, die auf selbstbewusste Mitglieder angewiesen sind. Ohne gewerkschaftliche Deckung aber trauen sich noch weniger Beschäftigte, für ihre Rechte einzutreten – ein Teufelskreis. Mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes wird es für viele Postboten noch schwieriger, dem zu entkommen.

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