THEATER DER GEGENWART
: Ostermeier

Ein Mann in Schwarz, auf seinem Basecap steht „FUCK“

Ich treffe T. vor der Schaubühne. „Hamlet“, Lars Eidinger spielt. Er sagte in einem Interview, dass er Leute, die während der Vorstellung das Theater verlassen, von der Bühne herab fragen würde, warum sie das tun. Mein letzter Theaterbesuch liegt geschätzte zehn Jahre zurück, währenddessen immer wieder Tanztheater. Aber hier und heute, heute wird gesprochen.

Gebraucht man im Beisein von T. das Wort Theater, blitzt in ihren Augen etwas auf, eigentlich bewegt sich dann ihr Körper ein wenig. Eine Leidenschaft, die Leiden schafft. Das Stück ist zu Ende, und Eidinger hat ein Pärchen gefragt, warum sie gehen würden, und der Typ könne doch jetzt die Scheiße zu Ende spielen und er mit der Frau den Raum verlassen.

Einer der Schauspieler steht draußen mit T., ich komme hinzu. Stefan, sagt er. Björn, sage ich. So, sagt er, du bist also ein Björn. Ich gebe mein Bestes, sage ich, was ich, nachdem ich es gesagt hatte, nicht mehr lustig finde. Wie sollte ich auch gegen jemanden anstinken, der gerade knappe drei Stunden seinen Körper einsetzte und eine Rolle spielte, die nichts mit seinem Körper und seinem Selbst zu tun hatte.

Ostermeier, sagt T. Das ist der Regisseur, sagt Stefan. Ich weiß, sage ich. Alles klar. Ostermeier, sagt T., das ist ein Tier, der hat alles aufgehoben, alle Grenzen niedergemacht. Ich sage, dass ich in den neunziger Jahren alles, also wirklich alles gesehen hätte und mir das heute so vorgekommen sei, als wäre ich in der Volksbühne der Neunziger gewesen, aber das würde wahrscheinlich jeder sagen, der nichts zum Theater der Gegenwart zu sagen habe. Die beiden sehen mich mitleidig an.

Vielleicht, denke ich, als ich in der U-Bahn sitze, ist das hier das nächste große Ding: Gegenüber sitzt ein in Schwarz gekleideter Mann, zu seinen Füßen eine Dogge, auf seinem Kopf ein Basecap mit dem Wort „FUCK“. BJÖRN KUHLIGK