„Hallo München“ statt „FAZ“

JUSTIZ Die Presseplätze für das NSU-Verfahren sind ausgelost. Während türkischsprachige Medien nun mit dabei sein dürfen, hatten fast alle überregionalen Zeitungen Lospech

Gruppe 1: In- und ausländische Nachrichtenagenturen (5 Plätze):

Radio Dienst

Rufa Rundfunk-Agenturdienst

IHA (Türkei)

dpa

dpa English Service

Gruppe 2: Fremdsprachige Medien und deutschsprachige Medien mit Sitz im Ausland (10 Plätze):Griechische:

ERT (griechischer Rundfunk)

Türkische:

Al Jazeera (Büro Istanbul)

Sabah (Tageszeitung)

Hürriyet (Tageszeitung)

Evrensel (Tageszeitung)

Sonstige:

Radio Lora München (polnischsprachige Redaktion)

Svenska Dagbladet

France 2 Berlin

NOS – Niederländischer Rundfunk

Neue Züricher Zeitung

Gruppe 3: Auf Deutsch publizierende Medien mit Sitz im Inland (35 Plätze):Öffentlich-rechtliches Fernsehen:

ARD

WDR

ZDF

Privat-Fernsehen:

Ebru TV

Kabel 1

RTL 2

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk:

Deutschlandfunk

Bayrischer Rundfunk

Südwest-Rundfunk

Privater Rundfunk:

TOP FM

Charivari

Radio Lotte Weimar

Tägliche Printmedien:

BILD

Allgäuer Zeitung

Passauer Neue Presse

Pforzheimer Zeitung

Sächsische Zeitung

Oberhessische Presse Marburg

Stuttgarter Zeitung

Lübecker Nachrichten

Freie Presse

Straubinger Tagblatt

Freies Wort (Thüringen)

Thüringer Landeszeitung

Offenbach Post

Junge Welt

Wöchentliche Printmedien:

Focus

Stuttgarter Nachrichten – Sonntag aktuell

Süddeutsches Magazin

Spiegel

Sonstige:

Tom Sundermann (freier Journalist)

Viola Volland (freie Journalistin)

Hendrik Puls (freier Journalist)

Hallo-muenchen.de

Brigitte

VON WOLF SCHMIDT

BERLIN taz | Nach wochenlangen Streitereien über die Vergabe von Reporterplätzen beim NSU-Prozess in München hat nun der Zufall entschieden. Am Montagvormittag hat ein Notar vor den Augen eines Zeugen – des früheren Oberbürgermeisters Hans-Jochen Vogel – ausgelost, welche Medien einen festen Sitzplatz in dem Prozess gegen Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Helfer der Terrorzelle NSU bekommen.

Aus drei Körben mit weiteren Unterkörben wurden die gelben, blauen und pinkfarbenen Zettel gezogen. Dabei gab es feste Kontingente für Nachrichtenagenturen, ausländische Medien und inländische Medien. Ein „angemessenes und gerechtes Verfahren“, wie der Präsident des Münchner Oberlandesgerichts, Karl Huber, befand.

Tatsächlich ist im Ergebnis der zentrale Kritikpunkt des verkorksten ersten Zulassungsverfahrens behoben worden: Nun werden auch türkische und griechische Medien einen festen Platz im Gerichtssaal bekommen. Die Kritik am Münchner Oberlandesgericht verstummt dennoch nicht. Denn während der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit allen maßgeblichen Anstalten im Prozess dabei ist, gingen fast alle überregionalen deutschen Tageszeitungen bei der Verlosung der 50 sicheren Presseplätze leer aus. Michael Konken, Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes, bezeichnete das Ergebnis daher als „zweifelhaft“. Die taz-Chefredakteurin Ines Pohl lässt nun prüfen, ob man gegen die Platzvergabe klage, um eine Videoübertragung für Journalisten zu erwirken. Die taz hatte im ersten Anlauf einen Platz ergattert und ging nun leer aus.

Nötig geworden war das zweite Verfahren, weil im ersten keinerlei türkische und griechische Medien auf den festen Plätzen gelandet waren – und das, obwohl eines der zehn NSU-Opfer griechische und acht türkische Wurzeln hatten. Zudem musste das Oberlandesgericht München technische Fehler einräumen: Nicht alle Journalisten waren gleichzeitig informiert worden.

Am Freitag vor zwei Wochen erließ das Bundesverfassungsgericht daher eine einstweilige Anordnung und gab dem Münchner Gericht zwei Möglichkeiten: mindestens drei zusätzliche Plätze sollten „an Vertreter von ausländischen Medien mit besonderem Bezug zu den Opfern“ vergeben werden. Alternativ könne das Gericht die Sitzplatzvergabe an Journalisten aber auch noch mal ganz von vorne beginnen.

927 Journalisten von 324 Medien versuchten sich für den NSU-Prozess anzumelden

Der Vorsitzende Richter im NSU-Prozess, Manfred Götzl, entschied sich für den Neustart – und verschob deswegen den Prozessbeginn um knapp drei Wochen auf den 6. Mai.

Ging es beim ersten Anlauf noch allein nach der Geschwindigkeit der Journalistenanmeldungen, entschied nun das Los. 927 Journalisten von 324 Medien versuchten sich dabei für den Jahrhundertprozess anzumelden. Wenn am kommenden Montag in München der NSU-Prozess beginnt, werden nun zwar die türkischen Tageszeitungen Hürriyet und Sabah einen garantierten Sitz auf der Pressetribüne haben. Dasselbe gilt für die türkische Nachrichtenagentur IHA und den griechischen Rundfunksender ERT. Auf die sicheren Plätze für deutsche Tageszeitungen wurden dagegen fast ausschließlich Regionalblätter wie die Allgäuer Zeitung und die Lübecker Nachrichten gelost. Mit dabei sind auch kaum bekannte Medien wie der Onlinedienst hallo-muenchen.de, auf dessen Seite am Montag „sieben Fakten zum Wunder-Gemüse“ Rhabarber präsentiert wurden. Leer aus gingen dagegen große überregionale Blätter wie die FAZ und die Welt.

Er könne verstehen, wenn nun bei manchen Enttäuschung herrsche, sagte Gerichtspräsident Huber am Montag nach Bekanntgabe des Ergebnisses. Gleichzeitig verwahrte er sich gegen die aus seiner Sicht zu harschen „Angriffe“ der vergangenen Wochen auf sein Gericht. Diese seien ohne Beispiel, sagte Huber. Er hoffe, dass das NSU-Verfahren am kommenden Montag endlich beginnen könne, „ein Prozess mit großen Herausforderungen und großen Schwierigkeiten“.