Atomenergie
: Durch die Hintertür

Bemerkenswert klar hat Nordrhein-Westfalens CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers die Zukunft der deutschen Atomkraftwerke noch am Donnerstag beschrieben: Es gelte der von der großen Koalition auf Bundesebene gerade erst bekräftigte Atomkonsens, basta. An dem wolle die SPD nicht rütteln – und das habe auch CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel akzeptiert. Außerdem gebe es auch keinerlei Interesse der Privatwirtschaft, neue Atommeiler zu bauen. So weit, so deutlich.

KOMMENTAR VONANDREAS WYPUTTA

Rüttgers‘ Energieministerin Christa Thoben aber arbeitet an der Wiedereinführung der Atomkraft durch die Hintertür. „Denkverbote“ dürfe es nicht geben, sagt die Christdemokratin und warnt vor „vorschnellen Antworten“. Geschickt versucht Thoben, die ökologisch sinnvolle Brennstoffzelle mit dem Neubau von Atommeilern zu verbinden: Der nötige Wasserstoff könnte doch ausgerechnet mit Strom aus einem Hochtemperaturreaktor hergestellt werden, schlägt die Ministerin vor.

Energie- und umweltpolitisch aber ist das blanker Unsinn: Das Modell des Hochtemperaturreaktors gilt als technisch gescheitert. Der von 1983 bis 1989 in Hamm-Uentrop betriebene Thorium-Hochtemperaturreaktor war nur wenige Stunden am Netz. Und der ökologische Vorteil der Brennstoffzelle ergibt sich nur, wenn Wasserstoff mit Strom aus erneuerbaren Energien, nicht aber mit Hilfe strahlender und hochgiftiger Atommeiler gewonnen wird.

All das sollte Thoben als zuständige Fachministerin natürlich wissen. Dass die Christdemokratin dennoch weiter auf die Reaktortechnik setzen will, offenbart nur eines: Thoben hat aus den Diskussionen nach Tschernobyl, aus der noch immer nicht geklärten Endlagerfrage nichts gelernt – und präsentiert sich als knallharte Ideologin, die die Energiepolitik der fünfziger und sechziger Jahre fortschreiben will.