Die glückliche Garnele

Wie man Garnelen hierzulande artgerecht halten kann. Warum das so viel verschmähte Fischmehl nicht nur schlecht ist. Und wieso das Ganze ökologisch unbedenklich ist. Bericht aus einem heimischen Zuchtgebiet nahe der Bremer Universität

Bremen taz ■ Es isst ja kaum einer auf der Welt so viele Garnelen wie wir. Nicht nur jetzt, an all den Feiertagen. Sie kommen aus Ecuador und Indien, aus Indonesien und Thailand zu uns ins Kühlregal. Und sie enthalten Schadstoffe und Antibiotika, Bakterien und Viren, Fungizide und Pestizide. Aber das kann man alles ändern, sagt Stefan Bruns von Polyplan aus Bremen. Die Firma züchtet eine eigene, eine „Bremer Garnele“. Hier auf dem Festland. Und – fast – artgerecht.

Biologen nennen sie „Penaeus vannamei“, etwas besser bekannt ist sie als „White Tiger“. Obwohl eigentlich nur ihre zehn Füße wirklich weiß sind. Der Rest des feingliedrigen, etwas archaisch wirkenden Körpers schimmert eher in einem transparenten meeresblau. Im Laden heißt sie deshalb einfach: Riesengarnele. Größe: Knapp 30 Zentimeter. Gewicht: 40 Gramm. Besonderes Merkmal: Sie ist vollkommen rückstandsfrei. Sagen jedenfalls ihre ZüchterInnen.

Groß gezogen wird sie in einer so genannten „Aquakultur“, die ganz ohne frisches Wasser auskommt – weil sie mit synthetischem Salzwasser arbeitet. Und statt des Chlors dienen Algen und Riesenmuscheln in den Bassins als natürliche Klärhelfer. Das funktioniert überall, auch fernab vom Meer. Und ist trotzdem ökologisch verträglich.

Gefüttert wird zwar immer noch mit dem in Verruf geratenen Fischmehl. Dessen Anteil ist aber nur noch halb so hoch wie in einer klassischen Zucht. Immerhin. „Ein vollständiger Verzicht ist auch kaum zu realisieren“, sagt die Biologin Christina Thobor – die Shrimps wären dann schlicht zu teuer. Und überhaupt: Selbst die Fischabfälle, klärt Thobor auf, enthalten noch wertvolle Eiweißstoffe.

Immerhin 300 Tiere leben auf einem Kubikmeter Aquarium zusammen – und Biologin Thobor hat dagegen auch nichts einzuwenden: Die Garnelen seien in einem „super Zustand“. Wachstum, Verhalten, Vitalität – alles genauso wie bei den Artgenossen im Meer. Nur das es dort immer weniger Garnelen gibt. Die Meere sind überfischt, drei Viertel aller Fischbestände gelten schon heute als erschöpft.

Die Alternative: eine Aquakultur. Zwei mal im Jahr wird dort „geerntet“, sagt Bruns, insgesamt 15 Tonnen könnten in so einer umweltfreundlichen Anlage pro Jahr „produziert“ werden. „Die Masse des Bedarfs kann man damit aber nicht abdecken.“ Allein in Deutschland werden 200 Tonnen verzehrt. Täglich. Tendenz steigend. In zehn Jahren, schätzt Bruns, könnte sich die weltweite Nachfrage nach Meeresfrüchten von heute 90 Millionen Tonnen fast verdoppeln.

Aber zu welchem Preis? Am Frankfurter Flughafen kostet das Kilogramm Garnelen heute knapp zehn Euro, und der Farmer aus Indonesien hat an diesem Stückchen Luxus nicht mehr als 1,50 Euro verdient. Vorausgesetzt, seine Garnelen sind nicht wegen zu hoher Antibiotikawerte einem Importverbot zum Opfer gefallen.

Bruns will seine Bremer Garnele für etwa 15 Euro das Kilo auf den Markt werfen. Wenn er einen Investor findet. Der Großmarkt Bremen steht schon als Partner bereit, prinzipiell. „Wir sind von dem Produkt überzeugt“, sagt Großmarkt-Prokurist Claas Türke. Das Risiko will er aber nicht allein tragen, die Suche nach weiteren Investoren läuft.

Am Verkaufspreis jedenfalls scheitert der Absatz der Bremer Garnele nicht. Da ist sich Bruns sicher. „Wir sprechen in erster Linie die Spitzengastronomie und die bewussten Verbraucher an.“

Zuerst einmal soll aber ein Ökosiegel her. Die Verhandlungen laufen, sagt Bruns. Ökoland ist im Gespräch, Naturland auch. Die sehen sogar über das Fischmehl im Futter hinweg. Aber das Problem mit der Umwelt liegt sowieso woanders: „Wir sind einfach zu viele auf der Welt“, sagt Bruns mit einem Achselzucken. „Das ist unökologisch.“

Jan Zier