EU hat in der Zypernfrage versagt

betr.: „Stillstand auf der Sonneninsel“, taz vom 29. 12. 05

Natürlich fragt man sich, wie der Verhandlungsprozess zwischen den beiden Inselteilen wieder in Gang gesetzt werden kann. Die gut gemeinten Vorschläge von Herrn Sommer dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass im Vorfeld des Beitritts Zyperns zur Union die EU (besonders EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen) komplett versagt hat. Wäre damals die klare Linie verfolgt worden: Aufnahme des Landes in die EU nur nach Beilegung des Konfliktes zwischen den beiden Volksgruppen, dann würde es heute all die zwischenstaatlichen Probleme nicht mehr geben, und der Bevölkerung der geschundenen Insel hätte man auch einen Gefallen getan.

Halbherzig hat die Verhandlungsführung der EU damals die Gespräche zwischen den verfeindeten Gruppen begleitet, um sich dann von den Inselgriechen durch cleveres Timing austricksen zu lassen. Als der Beitrittsmechanismus von der EU nicht mehr zu stoppen war, sagten die Griechen per Volksabstimmung „Ätsch!“ und lehnten den ausgehandelten Plan ab. Dank dieses geschickten Schachzugs Papadopoulos’ sind heute die griechischen Zyprioten EU-Bürger und ihre türkischen Nachbarn nicht. Die historische Chance, den von beiden Parteien ersehnten EU-Beitritt als Druckmittel zu benutzen und damit die längst fällige Überwindung der Inselteilung zu erzwingen, wurde so leichtfertig aus den Händen gegeben. HARTMUT GRAF, Hamburg