die taz vor 18 jahren über den absehbaren sieg der afghanischen mudschaheddin
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Ohne westliche Hilfe hätten die afghanischen Aufständischen den sowjetischen Truppen kaum standhalten können. Ohne sowjetisches Eingreifen hätten sie auch beim Ausbleiben westlicher Hilfe längst gesiegt. Sollte die UdSSR-Außenminister Eduard Shewardnadse recht haben, daß eine prinzipielle Einigung mit den USA über einen sowjetischen Rückzug zustandegekommen sei, dann geht der vorletzte Akt des afghanischen Trauerspiels jetzt zu Ende.

Der letzte Akt ist vorhersehbar: Die Mudjaheddin werden sich an den Vertretern des bisherigen Regimes gemeinsam rächen – und dann den Endkampf gegeneinander antreten. Aber die afghanischen Mudjaheddin sind keine mittelamerikanischen Contras; ein islamisch-fundamentalistischer Staat ist eben auch antiwestlich.

Im Falle der Sowjetunion kann ein vertraglich abgesicherter Truppenabzug die vollständige Niederlage kaum verdecken. Die kriegsbedingte innere Demoralisierung und die finanzielle Belastung werden vielleicht gemildert. Andererseits haben Intervention und Widerstand Afghanistan aus seinem mittelalterlichen Schlaf geweckt und die Grundlagen einer – nach Maßstäben der Dritten Welt – modernen Gesellschaft geschaffen; deren Staat jedoch wird strikt antikommunistisch sein und die politische Stabilität der mittelasiatischen Sowjetrepubliken bedrohen. Denn die Gefahr eines Übergreifens des fundamentalistischen Geistes, die durch den Einmarsch verschärft wurde, wird durch den Rückzug nicht gebannt: Immerhin haben die Mudjaheddin gesiegt. Erhard Stölting, taz vom 8. 1. 1988