BEI DER FÖDERALISMUSREFORM GERÄT DIE UMWELT UNTER DIE RÄDER
: Umweltschutz ist Wirtschaftspolitik

Erinnert sich noch wer an die Reform der Unternehmensteuer Ende der Neunziger? Monatelang stritten Bund, Länder, rote, gelbe, schwarze und grüne Politiker um die Frage, wie Gewinne aus Firmenverkäufen zu besteuern seien. Dann kam der Regierungswechsel – und plötzlich ging alles ganz schnell. Die Blockadeblöcke brachen zusammen. Rot-Grün feierte die Reform als totalen Erfolg.

Derzeit wiederholt sich dieses Muster: Seit Jahren streiten sich Rote, Gelbe, Schwarze und Grüne aus Bund und Ländern, wie denn der deutsche Föderalismus zu reformieren sei. Dann kam der Regierungswechsel und plötzlich ging alles ganz schnell: Bereits im Frühjahr, so jubeln die Ex-Streithähne, könnte die Reform unter Dach und Fach sein. Nur: Ist der Jubel auch berechtigt? Klar ist: Keine Reform braucht Deutschland dringender als die des föderalen Staatsprinzips. Klar ist ebenfalls: Niemand mag die Argumente der verschiedenen Parteien mehr hören. Und klar ist auch: Genau das ist die Gefahr.

Wie bei der Steuerreform. Das Vertragswerk erwies sich als handwerklich derartig schlecht, dass die Unternehmen – statt Milliarden zu zahlen – Milliarden aus der Staatskasse zurückbekamen. Die Lehre aus diesem Debakel sollte sein: Sauberes Handwerk geht vor Geschwindigkeit. Klar erkennbar ist im derzeitigen Reformgesetz nämlich: Der Bereich Umwelt- und Naturschutz ist geprägt von schweren handwerklichen Mängeln. Tatsächlich fehlt dem neuen Regelwerk der Sachverstand.

Vogelschutzrichtlinie, Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, Natura 2000 – Deutschland, einst führend im Bereich der Umweltstandards, hinkt heute den europäischen Mindestanforderungen Jahre hinterher. Das ist die denkbar schlechteste Wirtschaftspolitik. Gerade weil die Bundesrepublik sich bis in die Mitte der Neunzigerjahre hinein so strenge Vorschriften gab, ist unser Land heute Weltmarktführer in vielen Bereichen der Umwelttechnik. Noch. Das Beispiel Partikelfilter zeigt, wie schnell andere Länder die deutsche Wirtschaft abgehängt haben. Wirtschaftspolitisch muss deshalb gelten: Keine Föderalismusreform ist immer noch besser als eine ohne vernünftige Umwelt-Regelungen. NICK REIMER