Wahl statt Whisky

Bedrängter britischer Liberalenchef Kennedy stellt Flasche und Amt zur Verfügung. Streit in der Partei

LONDON afp/rtr/taz ■ Charles Kennedy, Vorsitzender der oppositionellen Liberaldemokraten in Großbritannien, hat öffentlich zugegeben, ein Alkoholproblem zu haben, und sein Amt zur Wahl gestellt. Er habe seit zwei Monaten keinen Alkohol mehr angerührt und wolle dies auch in Zukunft nicht mehr tun, sagte der Chef der zweitgrößten britischen Oppositionspartei am Donnerstagabend in London. „In den vergangenen 18 Monaten habe ich mein Alkoholproblem akzeptiert und versucht, es zu bewältigen“, sagte der Schotte. „In diesem Zusammenhang habe ich gelernt, dass ein Alkoholproblem in der Tat ein ernsthaftes Problem ist.“ Er glaube nun, dass er es geschafft habe. Dennoch halte er es „nur für fair“, die Partei über seinen Verbleib an der Spitze entscheiden zu lassen. In der britischen Politikszene gab es seit Jahren Gerüchte über Kennedys Alkoholkonsum. Bei entsprechenden Nachfragen von Journalisten hatte der 46-jährige Schotte jedoch stets dementiert.

Dass Kennedy seine Sucht nun einräumte, dürfte mit steigendem innerparteilichen Druck zu tun haben. Zahlreiche führende Parteifreunde Kennedys sollen ihm in einem Brief das Vertrauen entzogen haben. Trotz eines guten Ergebnisses bei der Parlamentswahl im Mai fordert diese Gruppe Kennedys Rücktritt.

Kennedy ist seit 1999 Parteichef. Unter seiner Führung hatten die Liberaldemokraten im Mai 22 Prozent der Stimmen gewonnen – es war ihr bestes Wahlergebnis seit 1923. Allerdings fällt die Partei in Umfragen zurück, seit die Konservativen sich mit David Cameron einen jugendlichen Vorsitzenden gegeben haben. Auch wurde der Wahlkampf 2005 parteiintern kritisiert, weil Kennedy meist blass auftrat und weil manche Liberalen versuchten, die regierende Labour-Partei von Tony Blair links zu überholen. In einer Umfrage sagten 52 Prozent der Befragten, die Liberaldemokraten könnten mit einem anderen Parteichef mehr Stimmen holen.