PETER UNFRIED NEUE ÖKOS
: Psychokrieg ums Katzenklo

Fußballprofi muss mein Sohn nicht werden. Berkeley-Student auch nicht. Aber kann er sich nicht wenigstens mit zwölf Jahren um unsere altersschwache Katze kümmern?

Ich grübelte gerade darüber, ob wir in ein solarthermisches Kraftwerk in Spanien einsteigen sollten, als Penelope den Kopf zur Tür meines Arbeitszimmers reinstreckte und meinen Kosenamen schnurrte. Mit so einem unausgesprochenen Fragezeichen hinten dran. Hilfe. Es ist höchste Vorsicht geboten, wenn sie ihre So-wickle-ich-meinen-Vater-um-den-Finger-Stimme bemüht.

Als sie den Schreibtisch erreicht hatte, sagte sie, dass sie ja elf Jahre alt sei.

„Erzähl mir was Neues“, brummte ich präventiv wirsch.

Sie wedelte mit ihrem Buch „300 Fragen zur Katze. Kompaktes Wissen von A–Z“. Seit Monaten sieht man sie nicht mehr ohne das Ding. Darin stehe, dass unsere Katze 12 Jahre alt werde.

„Und?“

Wir Eltern würden uns also in den letzten Jahren vor dem Katzentod um sie kümmern müssen, da sie ja dann schon ausgezogen sei.

„Kannst du vergessen“, sagte ich. „Du hast immer geschworen, dass du dich um sie kümmerst. Dann nimmst du sie auch schön mit, wenn du ausziehst.“ Sie kriegt die fidelen Jahre – und wir sollen die Sterbebegleitung machen? Ne, ne, so läuft das bestimmt nicht.

Man könnte die Katze unmöglich am Ende ihres Lebens noch rausreißen aus ihrem gewohnten Umgebung, sagte Penelope und zeigte auf ihr Katzenbuch.

Ich sagte, dass mir das vollkommen egal sei. Sie habe für das Vieh zu sorgen. Von Alpha bis Omega. Das sei die Grundlage aller Katzen-Gespräche gewesen.

„Soll ich sie vielleicht zum Studieren nach Amerika mitnehmen?“

Diese Ratte weiß ganz genau, dass sie mich damit kriegt. Es gibt ja Leute, die glauben, die mythische 1968er-Universität von Kalifornien in Berkeley sei ein unerfüllter Lebenstraum ihres Vaters, den er nun auf das arme Kind projiziere. Unfug. Als Progressiver bin ich heute selbstverständlich dafür, dass meine Tochter in Stanford studiert. Was ist denn schon dabei? Andere wollen, dass ihr Sohn Fußballprofi wird, weil es für sie selbst nur zur Bauernstaffel gereicht hat.

Ich nicht.

Ich wünsche mir nichts mehr von meinem Sohn, als dass er sich später mal um die Katze kümmert, wenn Penelope aus dem Haus ist.

„Kannst du vergessen.“ Adorno schnurrt nicht, er hat dafür diesen wirklich äußerst gut einstudierten Blick. Als sei er tödlich beleidigt worden. Von einem dummen Vollarsch.

Ich habe einen Gegenblick eingeübt, so ein emphatisches und soziales, aber auch eiskaltes und neoautoritäres Lächeln.

„Du bist jetzt … ungefähr neun, Adorno … schätze ich, oder?“

Cold smile. Ich bin ziemlich sicher, dass er neun ist. Alles pure Psychologie. Er hielt seinen Blick. Ich meinen.

„Du wirst zwei Jahre länger als Penelope deine Füße unter den Tisch deiner Mutter strecken. Da kannst du gefälligst das Katzenklo sauber machen, den Thunfisch aus den Futterdosen pulen und dich um Flohkontrolle und Spulwurmkur kümmern.“ Ist doch wahr.

Er knurrte meinen Kosenamen, hängte ein „Äh“ vorne und ein unausgesprochenes Fragezeichen hinten an.

Ich fragte höflich: „Äh, ja, lieber Sohn?“

Dann sagte er mir, ich solle die Tür zumachen. Von außen.

Manchmal frage ich mich wirklich, wie das alles erst wäre, wenn wir tatsächlich eine Katze hätten.

Der Autor ist taz-Chefreporter Foto: Anja Weber