Unter ihren Fahnen

DGB Bei der traditionellen Demo des Deutschen Gewerkschaftsbundes zeigen sich die teils schon ergrauten KollegInnen noch nicht auf Du und Du mit den heutigen Herausforderungen – obwohl die Zeit für neue Kämpfe doch gekommen ist

„Krankenschwester – die neue Magd in Deutschland“

Aufdruck auf Protest-Shirts

Es mögen etwa 10.000 Menschen gewesen sein, die am 1. Mai den Weg zu der traditionellsten aller Maidemos gefunden haben: der des Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB. Die ging vom Hackeschen Markt zum Brandenburger Tor, wo wie immer eine große Bühne und viele Stände aufgebaut waren und die Stimmung kämpferisch und gut und selbstbewusst und optimistisch war. Und doch: Von alldem ist es immer ein bisschen weniger als im Vorjahr.

Das mag daran liegen, dass im Demonstrationszug nicht einmal der Block der einst starken IG Metall noch einen ordentlich lauten Sprechchor zusammenbringt. Dass die mitmarschierenden KollegInnen von der GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) zwar die Teilnehmerzahl, aber auch das Durchschnittsalter der DemonstrantInnen kräftig anheben. Und man auch den bereits ergrauten SängerInnen der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di die Zeilen aus dem Arbeiterkampf-Traditionslied „Mit uns zieht die neue Zeit“ nicht wirklich abnehmen kann.

Dabei wäre genau jetzt die Zeit für neue Kämpfe für Arbeitnehmerrechte. Dass das in der Luft liegt, zeigt sich weniger an den offiziellen Verlautbarungen und Stellungnahmen auf der Demo als an den kleinen, oft selbst gebastelten Plakaten mancher TeilnehmerInnen. „Krankenschwester – die neue Magd in Deutschland“ tragen etwa Frauen auf den T-Shirts. „DGB: Zeitarbeit ganz verbieten“ fordert ein Teilnehmer auf einem selbst beschrifteten Plakat.

Dass auf neue Beschäftigungsverhältnisse, neue Entwicklungen der Arbeitswelt vor dem Hintergrund von Globalisierung und europäischer Einigung neu reagiert werden muss, klingt auch in der Ansprache des Gastredners der DGB-Demo an, Lars Lindgren, Vorsitzender der Europäischen Transportarbeiterföderation. Der ehemalige Lastwagenfahrer, der viele Jahre lang auch nach Deutschland fuhr und seine Rede auf Deutsch hielt, verbindet gekonnt herzerwärmend Traditionelles („Die Arbeiterbewegung versammelt sich heute unter ihren Fahnen.“) mit der Forderung nach einer grenzüberschreitenden Gewerkschaftspolitik.

Dass der Schwede auch unter den ArbeitnehmerInnen Verlierer und Gewinner der europäischen Einigung unterscheidet und die Solidarität der letzteren fordert, scheint nicht allen deutschen KollegInnen zu gefallen. Viele wenden sich an dieser Stelle seiner Rede lieber schon den Bierständen zu. Gelobt wird Lindgren dann von seiner deutschen Kollegin Doro Zinke, der DGB-Chefin von Berlin und Brandenburg, vor allem dafür, dass er so schön „eine so lange Rede in einer fremden Sprache gehalten hat“. AKW