Zutraulich oder stolz allein

Für FDP und Grüne gibt es kein Patentrezept im Kampf um die Wählerstimmen

BERLIN taz ■ Die Lehre aus Wahlkampf und Wahlergebnis 2005 stellt die Parteistrategen von FDP und Grünen vor große Herausforderungen. Es hat sich nämlich gezeigt, dass es für die beste Reaktion auf die neuen Kräfteverhältnisse im Parlament kein Patentrezept gibt. Fest steht nur: Die Zukunft verlangt sowohl von der FDP als auch von den Grünen ein hohes Maß an Flexibilität. Sonst ist sie düster.

Dabei war noch am Wahlabend die Erleichterung groß gewesen. Zwar hätte es in beiden Parteizentralen durchaus Anlass zur Betrübnis gegeben. Für die einen war der Traum vom Mitregieren ausgeträumt, die anderen hatten die Regierungsmacht verloren. Aber in beiden Lagern überwog dennoch die Freude über das Erreichte: Die Grünen hatten das Ende von Rot-Grün mit einem Ergebnis von über 8 Prozent glimpflich überstanden. Die FDP hatte es zum ersten Mal seit 1990 geschafft, wieder zur drittstärksten Kraft im Bundestag zu werden. Das ist allerdings auch schon so ziemlich alles, was klar ist.

Sollte es der Linkspartei gelingen, sich dauerhaft im deutschen Parteienspektrum zu etablieren, dann müssen sich die kleinen Altparteien von der bequemen Rolle verabschieden, jeweils alleine umworbener Mehrheitsbeschaffer für eine der Großen sein zu dürfen. Was verspricht vor diesem Hintergrund den größeren Erfolg: sich möglichst eng an eine der Volksparteien zu binden? Oder ganz auf die eigene Kraft und das eigene Programm zu vertrauen? Das kommt darauf an.

Meinungsforscher kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass die FDP von ihrer eindeutigen Koalitionsaussage erheblich profitiert hat. Das gilt umso mehr, als die Union im Laufe des Wahlkampfs in immer stärkerem Maße als wirtschaftsliberal erschienen sei. Viele Leute habe das veranlasst, gleich das „Original“ – also die FDP – zu wählen, wie Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen meint. Die Liberalen haben der CDU mehr als 900.000 Stimmen abgenommen.

Ist es also doch der beste Weg für die Kleinen, sich an die Großen anzulehnen? Nicht unbedingt. Die Grünen verdanken ihr respektables Ergebnis nach Ansicht von Parteienforschern vor allem der Mobilisierung ihrer Stammwähler – und der Tatsache, dass sie mit dem Thema Umwelt ein eigenes Feld besetzen. Die Betonung der programmatischen Eigenständigkeit, die sich für die FDP 2002 als fatal erwiesen hat, hat den Grünen also 2005 genutzt.

Für die FDP ist ein solcher eigenständiger Wahlkampf ohnehin schwieriger als für die Grünen: Ihr fehlt das ganz originäre Thema. Im Bereich der Bürgerrechte konkurriert sie mit den Grünen, bei der Steuerpolitik wird ihr nicht zugetraut, wesentliche Teile ihres Programms alleine durchsetzen zu können.

FDP und Grüne kämpfen in denselben Bevölkerungsschichten um Stimmen, vor allem bei relativ gut ausgebildeten, gut verdienenden Einwohnern größerer Städte. Zwar gibt es zwischen den beiden Parteien durchaus signifikante Unterschiede: Die FDP ist vor allem für Selbständige attraktiv, die Grünen werden überproportional häufig von Frauen gewählt. Grund zur Hoffnung für die Liberalen ist außerdem, dass sie in höherem Maße als die Grünen in den neuen Bundesländern an Boden gewinnen konnten.

Alle Feinanalysen von Wählerwanderungen und Wählerpotenzial täuschen jedoch nicht darüber hinweg, dass alle „klassischen“ Koalitionen es künftig schwer haben werden, eigene Mehrheiten zu finden. Die Konsequenz: Diskussionen über Ampel, Schwampel oder Jamaika werden an Schwung gewinnen. Spätestens vor den nächsten Bundestagswahlen. BETTINA GAUS