Um Kopf und Kragen

Sie kämpfen mit dem Schwert gegen Armeen und manchmal köpfen sie die Nebenbuhlerin. Michael Gruner, Schauspieldirektor in Dortmund, inszeniert im „Studio“ zentrale Schillersche Frauenfiguren

VON PETER ORTMANN

Nur die gymnasiale Pausenklingel hat noch gefehlt. In zwei Schulstunden inszeniert Michael Gruner, Schauspieldirektor an Dortmunds Bühnen, schillernde Frauenfiguren. Filetstücke aus Friedrich von Schillers Gesamtwerk mit dem Titel „Johanna“ sind im kleinen Studio gleichsam eine Lehrstunde für Leistungskurse in Deutsch oder für kleine Haie, die zur Bewerbungstour durch Schauspielschulen aufbrechen wollen.

Zwei Schauspieler (Juliane Gruner und Andreas Wrosch) teilen sich dazu diverse Schlüsselszenen, unter anderen aus „Johanna von Orleans“, „Kabale und Liebe“ oder „Maria Stuart“. In „Don Carlos“ müssen der Infant von Spanien und die Prinzessin von Eboli dazu übergroße Kindskopf-Masken tragen. Den ausdrucklosen Puppen (Zweiter Akt, achter Auftritt) fehlen nur noch Marionettenfäden und alles hätte seine postmoderne Richtigkeit im dramatischen Gedicht, wo die Liebe, verstrickt unter iberischen Staatsgeschäften, zu mehrfachen Toden führt.

In Dortmund ist die berühmte Heilige Johanna von Orleans der rote Faden durch die Doppelstunde. Anfangs kauert sie hinter einem Sessel, beantwortet bohrende Fragen nach ihrer Intention, als 17-Jährige ein französisches Heer anführen zu wollen, am Schluss macht sie frei von der Last. Hochhackig, mit rotem Lippenstift und schicker Einkaufstüte relativiert sie ihre Texte: „Ich hab das alles nur aus Angst vor dem Feuer gesagt.“ Juliane Gruner hatte da bereits alle Frauengestalten aus dem Schiller-Universum hinter sich gebracht. Die arme Maria Stuart, die unglückliche Prinzessin Eboli, die Edelhure Lady Milford und auch Julia, die machtgeile Gräfin Wittwe Imperiali aus „Die Verschwörung des Fiesco zu Genua“. Natürlich in schwarzer Kleidung (verlangt Schiller). Nur Elisabeth, die Königin von England, spielt der Berliner Gast Andreas Wrosch machtbesessen und köstlich degeneriert. Es ist die bekannte Szene im Schlosspark, als sich Maria Stuart, die gefangene Königin von Schottland, letztlich um Kopf und Kragen redet.

Damit der Zuschauer bei so viel Rollen- und Stückwechsel nicht durcheinander kommt, hämmert zu Beginn der Szenen eine Schreibmaschine Licht-Buchstaben an die Bühnenwand. Titel und die beteiligten Personen stehen dann da, aber auch „Ende“. Dann weiß jeder, das es vorbei ist und die Begeisterung über so viel erlangtes Fachwissen losgelassen werden kann.

Regisseur Gruner hat mit dem „Johanna“-Projekt einen interessanten Beitrag zum gerade vergangenen Schillerjahr in Dortmund auf die Bühne gebracht. Kurz genug, um erträglich zu sein und lang genug, um die unterschiedliche psychologischen Strukturen in den Frauenbildern von Friedrich von Schiller ausreichend zu dokumentieren. Und in der kurzen Pause wankten auch keine Frauen, einer Ohnmacht nahe, zur Türe – obwohl im großen Schauspielhaus gleich nebenan – Schillers Freiheitsdrama„Die Räuber“ gespielt wurde.

Nächste Aufführung: 13. Januar, 20:00 UhrInfos: 0231-5027222