Richterschelte für die Polizei

GELDSTRAFE Im Verfahren gegen den Sprayer „Oz“ basierten viele Vorwürfe auf Voreingenommenheit

„Laut Akte war alles so sicher wie das Amen in der Kirche – plötzlich war das Verfahren tot“

AMTSRICHTER KLAUS WOHLRAB

Eine 18 Sachbeschädigungen umfassende Anklage, acht Monate Verhandlungsdauer, fast 50 Prozesstage und gestern nun das Ergebnis: Amtsrichter Klaus Wohlrab verurteilte den Sprayer Walter Fischer alias „Oz“ wegen Sachbeschädigung zu 40 Tagessätzen à sieben Euro Geldstrafe. Er hatte an eine Hauswand zwei Tags „md“ gesprüht. In 17 Anklagepunkten sprach Wohlrab den 63-Jährigen auf Kosten der Staatskasse frei.

„In diesem Verfahren hatten wir es in vielen Fällen mit Zeugen zu tun, die eine gewisse Vorbelastung haben, was Ihre Person angeht“, sagte der Richter zur Begründung, warum es überhaupt zu einem Prozess solchen Ausmaßes gegen den „Überzeugungstäter“ gekommen sei. „Sie sind stadtbekannt“, sagte Wohlrab. Wenn Fischer irgendwo gesehen werde und in der Gegend befinde sich ein Tag, werde es ihm zugeordnet. Besonders „eklatant“ sei dies bei der Anschuldigung des Polizisten Andre H. gewesen, Oz habe auf einem Fahrrad fahrend die Fensterfront des Bramfelder Lidl-Supermarktes „gescratcht“ – 10.000 Euro Schaden. „Laut Akte war alles so sicher wie das Amen in der Kirche“, sagte Wohlrab. Doch dann sei plötzlich „das Verfahren tot“ gewesen. „Da müssen wir uns bei der Verteidigung bedanken, die akribisch und intensiv ermittelt hat“, lobte der Richter.

Die Anwälte Andreas Beuth und Ingrid Witte-Rhode hatten entdeckt, dass sich vor dem Lidl-Markt ein im Verfahren unterschlagener Fußweg befindet, der die Tat per Fahrrad unmöglich macht. „Solche Ermittlungen wünscht man sich eigentlich von der Polizei“, sagte Wohlrab. Oder die Polizei dokumentierte durch ein Foto einen Kringel, halte aber nicht fest, dass „die ganze Wand bereits gruselig“ aussehe, so Wohlrab. „Die Polizei hat ihre Arbeit nicht geleistet.“  KVA