IM HOTEL MERCURE
: Leadership Training

„Einen Applaus für meinen Fallberater!“, fordert die Kundin

Als wir den Saal im Hotel Mercure betreten, endet gerade die Aufführung der indischen Tanzgruppe. Hier treffen sich die Bürgerplattform „WIN – Wir in Neukölln“ sowie Vertreter des Jobcenters, IHK und HWK. Die Videoprojektion im Hintergrund lässt vermuten, dass dafür eine gewisse DICO verantwortlich zeichnet.

Auf die Bühne treten eine junge Frau von Milli Görüs und ein gefühlt 21-jähriger Mann, der sich als Theologiestudent vorstellt. Mit seinem Anzug und Bürstenhaarschnitt erinnert er mich an diesen Typen in dem amerikanischen Südstaaten-Film, der eine Reihe künstlicher Zähne zeigend in einer evangelikalen Erweckungsmesse in die Menge ruft: „Seit der Blitz in mich eingeschlagen ist, bin ich Geistheiler!“ Dann ruft der Moderator: „Drehen Sie sich doch mal um! Vielleicht kennen Sie da jemanden noch nicht und lernen sich nun kennen!“ Zum Glück kenne ich die links von mir schon, und dem Tonmann gebe ich auch fünf, was ihn kurz aus dem Konzept bringt.

Junge Menschen, die ein leadership training gemacht haben, betreten die Bühne: „Jeder kann ein leader werden! Früher war ich unsicher und habe nur rumgehangen – jetzt kann ich hier stehen und zu Ihnen sprechen!“ Ich wüsste so gerne, was ein leadership training ist. Jedenfalls gibt es zum Abschluss ein „Zertifikat“. Vom ominösen DICO.

Die Frage, ob ich das alles noch lustig finde, wird beantwortet, als eine Frau die Bühne betritt: „Mein Fallberater im Jobcenter glaubte nicht, dass ich als alleinerziehende Mutter von vier Kindern eine Ausbildung machen kann. Dann habe ich täglich acht Stunden geputzt, und er hat Vertrauen gefasst. Nun mache ich eine Ausbildung zur Altenpflegerin! Einen Applaus für meinen Fallberater!“ Motivierte Kunden sind das Wichtigste, wie es der Mann vom Jobcenter später etwas weniger impulsiv formuliert. ANTONIA HERRSCHER