Der Aufstand der CDU-Hinterbänkler

Mitgliedermanipulationen, Machtkämpfe und Meuchelmörder: Im Hamburger CDU-Vorstand geht es heute um die innerparteiliche Demokratie sowie die Zukunft der Partei und ihres Landeschefs Dirk Fischer

Die Hamburger CDU steht vor einer Zerreißprobe: Wenn heute der CDU-Landesvorstand tagt, geht es um parteiinterne Machtkämpfe und um Köpfe, die rollen könnten. Denn im Zuge der Affäre um massenhafte Mitgliedereintritte kurz vor den Wahlen ist nicht nur der Finkenwerder Ortsvorsitzende Heiko Hecht ins Fadenkreuz der Kritik geraten. Auch CDU-Landeschef Dirk Fischer steht nach fast 14-jähriger Amtszeit zur Disposition.

Nachdem bekannt geworden war, dass der Finkenwerder Ortsvorsitzende Heiko Hecht fast 200 Mitglieder aus der türkischen Glaubensgemeinschaft der Aleviten als Mitglieder seines Ortsverbandes werben ließ, die zum Großteil gar nicht in Hamburg wohnten oder, wie Nachfragen offenbarten, von ihrem Glück nichts wussten, kam der Stein ins Rollen. Denn die Mitgliedervermehrung des nur 78 Mitglieder zählenden Ortsverbandes ist kein Einzelfall.

In Billstedt traten vor kurzem auf einen Schlag 89 Mitglieder der aramäischen Glaubensrichtung in den CDU-Verband ein, in Jenfeld auf Betreiben des Wandsbeker Kreischefs Jürgen Klimke 40 Bundeswehr-Soldaten, die zuvor größtenteils in Horn in der CDU organisiert waren. Der Bezirk Wandsbek verzeichnet gar den auffälligen Mitgliederzuwachs von 120 Personen. Bei deren Neuaufnahme soll die CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Natalie Hochheim als Vertreterin des Wandsbeker Mitgliedschaftsausschusses regelwidrig übergangen worden sein.

In allen Fällen besteht der Verdacht, dass durch die Eintrittswellen entweder die Delegiertenzahl der betreffenden Ortsverbände in den Kreis- und Landesgremien erheblich nach oben gedrückt oder auf die anstehenden Neuwahlen diverser CDU-Ortsfürsten erheblicher Einfluss genommen werden sollte.

Dass CDU-Chef Dirk Fischer den Finkenwerder Masseneintritt der Aleviten stoppen ließ und verbale Breitseiten gegen Hecht abfeuerte, bringt ihm nun massiven innerparteilichen Gegenwind ein. Der Vorwurf: Fischer betreibe Mitgliederaufnahme „nach Gutsherrenart“. Denn die Parteisatzung, auf die sich Fischer beruft, macht es zwar möglich, Eintrittswillige nur dort in die CDU aufzunehmen, wo sie wohnen oder arbeiten; nur spielte der Passus in der Vergangenheit in der parteiinternen Aufnahmepraxis keine Rolle. So munitionierte sich Heiko Hecht für die heutige Vorstandssitzung mit einem Gutachten des Hamburger Verwaltungsjuristen Holger Schwemer, das zu dem Schluss kommt, dass das Wohnortsprinzip der Satzung nicht mehr angewendet werden könne, nachdem die CDU es jahrelang ignoriert hat.

Fischers Notbremse nur gegen die Masseneintritte, die nicht in sein politisches Kalkül passen, führt dazu, dass erstmals CDU-Funktionäre ganz unverhohlen zum Abschuss des Parteichefs aufrufen. Der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Jörg Hamann klagte in der Frankfurter Rundschau den „Generationswechsel“ an der CDU-Spitze ein. Auch der CDU-Haushaltsexperte Rüdiger Kruse wünscht sich „etwas Neues“ in der ersten Reihe der Partei. Und Natalie Hochheim kritisiert, dass der „Herr Fischer“ jede Diskussion über eine Satzungsänderung abwürge.

Der Aufstand der CDU-Hinterbänkler gegen die Parteispitze hat begonnen – und Fischer dürfte dabei, so prophezeit ein Landesvorständler – „ auf jeden Fall Federn lassen“. Marco Carini