Hackl rodelt nach Turin

Mit seinem dritten Platz beim Weltcup in Königssee macht der 39-jährige Dreifach-Olympiasieger seine sechste Olympia-Teilnahme perfekt und erkennt für diese sogar neue Möglichkeiten

AUS KÖNIGSEE KATHRIN ZEILMANN

Fast hätte man glauben können, Georg Hackl werde schon jetzt, im Januar 2006, in den Ruhestand gelobt. Mitfühlend erkundigte sich der Fernsehreporter, wie es denn sei, zum letzten Mal auf der Heimbahn am Königssee hinabgesaust zu sein. Und Stefan Krauß, der Generalsekretär des Bob- und Schlittenverbandes für Deutschland (BSD), sprach warme Abschiedsworte über die Lautsprecheranlage: „Er hat die Rennrodel-Nationalmannschaft viele Jahre geprägt.“ Es war alles so rührend am Samstag in Königsee, dass es schien, als werde der Hacklschorsch sich ab sofort nie wieder auf den Rodel begeben. Dann fügte Krauß an: „Viel Glück in Turin!“ Damit war klar: Der Hacklschorsch wird zwar – sollte er seine Ankündigung wahr machen und am Ende des Winters seine aktive Laufbahn beenden – keine Weltcuprennen mehr am Königssee fahren, doch seine sechsten Olympischen Winterspiele wird er noch bestreiten. Der schon jetzt aufkeimende Abschiedsschmerz in seiner Berchtesgadener Heimat ist also zunächst einmal nur ein Gefühlszustand auf lokaler Ebene, für die breite Öffentlichkeit wird der Hacklschorsch in ein paar Wochen noch einmal die olympische Bühne betreten. Der deutsche Olympia-Kader ist damit um einen Typen reicher, der ohnehin gar nicht wegzudenken ist. Weil er bayerische Gemütlichkeit ausstrahlt, nie um einen lockeren Spruch verlegen ist und doch voller Ernsthaftigkeit seinen Sport betreibt. Der Hacklschorsch ist nach fünf Teilnahmen eine Art Maskottchen der Spiele geworden.

Mit Rang drei beim Weltcup am Wochenende hat Hackl zudem alle Zweifel an seiner Form weggefegt. Bei den Startzeiten fährt er zwar noch immer weit hinterher, doch dieses Defizit macht er dank fahrerischer Klasse und mit seinem perfekten Schlitten wett: „Ich kann sagen, dass ich vom Fahrerischen her und vom Material her funktioniere. Nur meine Startrückstände sind immer noch erheblich“, sagt Hackl selbst.

Die schlechten Startzeiten beweisen, dass Hackl nicht geblufft hat in den vergangenen Monaten, als er über seinen schlechten Gesundheitszustand geklagt hatte. Eine Bandscheiben-OP und eine Nervenentzündung im Arm haben ihn weit zurückgeworfen, sodass die Kraft fehlt, dem Schlitten schon am Start ausreichend Tempo zu geben. Zwischenzeitlich habe er an der Fortsetzung der sportlichen Karriere gezweifelt: „Da ging es nur noch um die Gesundheit. Ich konnte den Arm zeitweise ja nicht einmal im Alltag einsetzen.“

Doch kaum hat Bundestrainer Thomas Schwab Hackls dritten Platz hinter Olympiasieger Armin Zöggeler (Italien) und Tony Benshoof (USA) zum Anlass genommen, um dessen Olympia-Nominierung zu verkünden, sieht sich der 39 Jahre alte Rodler im Dilemma: Soll er nun Hoffnungen schüren und mit seinen Olympia-Chancen kokettieren? Oder soll er sich in Zurückhaltung üben, weil er wegen seines Trainingsrückstandes und der fehlenden Kraft in den Armen nur Außenseiterchancen besitzt?

Hackl weiß es selbst nicht so recht. Zunächst weist er darauf hin, dass der dritte Rang, den er am Königssee nach mehrwöchiger Wettkampfpause herausgefahren hat, kein Grund sei, „euphorisch und überheblich“ zu werden. Schließlich hätten die anderen gepatzt und er habe Vorteile, weil er nach unzähligen Trainings- und Wettkampffahrten seine Heimbahn schließlich besser als jeder andere kenne. Immerhin: Der Podestplatz nun und der zweite Platz, den er vor Weihnachten beim Weltcup in Calgary herausfuhr, animieren ihn, „den Ehrgeiz hochzufahren“, wie Hackl sagt. Allerdings: „Die Gefahr dabei ist, dass man sich höhere Erwartungen setzt als man erfüllen kann.“

Dann überlegt Hackl ein wenig – und kommt zu dem Schluss, dass sich ja auch bei den entscheidenden Wettfahrten in Cesana bei Turin die Konkurrenten Schwächen erlauben könnten. Außerdem seien bei Olympia vier Fahrten auf zwei Tage verteilt zu absolvieren – und nicht nur zwei schnell aufeinander folgende Runden, wie es im Weltcup der Fall ist. „Das muss man nervlich auch erst einmal durchstehen. Und ich habe ja Erfahrung damit“, sagt Dreifach-Olympiasieger Hackl. Über sein Gesicht huscht ein freudiges Lächeln, so als erkenne er plötzlich, was alles möglich werden kann.