Bushs Kandidat stellt sich dem Senat

Heute beginnt die Anhörung des Juristen Samuel Alito, der nach dem Willen des US-Präsidenten Richter am Obersten Gerichtshof werden soll. Da er als Abtreibungsgegner gilt, ist seine Ernennung umstritten. Beide Lager machen mobil

WASHINGTON taz ■ Heute könnte für Präsident George W. Bush eine weitere Schlappe ihren Anfang nehmen: Im US-Senat beginnen die Anhörungen zur Berufung von Samuel Alito zum Richter am Obersten Gerichtshof. Liberale Bürgerrechtler warnen seit Wochen, der 55-jährige Jurist sei erzkonservativ und werde das Recht auf Abtreibung und das Prinzip der Trennung von Kirche und Staat kippen. Konservative und christliche Gruppen hoffen, der neue Kandidat von Bush werde Abtreibungen für illegal erklären. Heute beginnt der Justizausschuss des Senats mit seinen Anhörungen über Alito.

Der Senat muss der Berufung von Kandidaten zum Supreme Court durch den US-Präsidenten zustimmen. Dieser ernennt die insgesamt neun RichterInnen des höchstinstanzlichen Gerichts auf Lebenszeit. Bush nominierte Alito zum Nachfolger der aus privaten Gründen zurücktretenden Richterin Sandra Day O'Connor. Deren Abschied macht die Nominierung Alitos zu einem brisanten Politikum: Vier der Obersten Richter gelten als konservativ, vier als eher liberal. Der neunte Richterposten hat damit automatisch die Funktion des Züngleins an der Waage.

O'Connor, eine von Expräsident Ronald Reagan ernannte Republikanerin, hat sich in ihren 24 Jahren als Oberste Richterin durchaus nicht immer an die Wünsche ihrer eigenen Partei gehalten. Oft gab sie den liberalen Ausschlag bei Kontroversen über Kirche und Staat, Abtreibung und bürgerliche Freiheiten.

Angesichts der Tragweite einer solchen Kandidatenkür brachten sich US-weit sowohl die Gegner als auch die Unterstützer Alitos in Stellung. Mit aggressiven Fernsehwerbespots versuchen die Aktivisten die Stimmung jeweils zu ihren Gunsten zu drehen – besonders in jenen Staaten, deren SenatorInnen sich noch nicht eindeutig positioniert haben. Vor allem der republikanische Senator Arlen Specter, der Vorsitzende des Justizausschusses, wird genauestens beobachtet. Specter gilt als einer der wenigen Republikaner, der für ein Recht auf Abtreibung eintritt. Von den 100 Senatoren sind 55 Republikaner.

Zentraler Streitpunkt ist die Auslegung der Verfassung hinsichtlich des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch. Der Oberste Gerichtshof hatte 1973 die bestehenden Antiabtreibungsgesetze für verfassungswidrig erklärt. Das Recht auf Abtreibung sei im Rahmen des Grundrechts auf persönliche Freiheit garantiert, hieß es in dem unter dem Namen „Roe vs. Wade“ bekannten Urteil. Alito soll hingegen in seiner Laufbahn im US-Justizministerium und als Berufungsrichter erkennen haben lassen, dass er ein Recht auf Abtreibung und das Urteil von 1973 ablehnt. So schrieb er 1985 in einem kürzlich aufgetauchten Bewerbungsschreiben an das Justizministerium, dass die Verfassung dieses Recht nicht schütze.

Der politisch neutrale US-amerikanische Anwaltsverband erklärte vor wenigen Tagen, Alito sei für den Posten am Obersten Gerichtshof „gut qualifiziert“. Derweil kündigen zahlreiche Organisationen an wie „People for the American Way“, eine nach eigenen Angaben 750.000 Mitglieder zählende Bürgerrechtsinitiative, eine Kampagne gegen den aus dem Bundesstaat New Jersey stammenden Juristen an. Als Berufungsrichter habe er sich gegen Antidiskriminierung, Verbraucherschutz und Umweltschutz ausgesprochen, kritisiert die Organisation. Im November war Bushs erste Kandidatin für die O'Connor-Nachfolge, seine langjährige Vertraute und Rechtsberaterin Harriet Miers, schon im Vorfeld der Anhörung gescheitert. Die Anhörung im Justizausschuss wird vermutlich bis Freitag dauern. Die Entscheidung im Senat dürfte frühestens in der nächsten Woche stattfinden. ADRIENNE WOLTERSDORF