MANNI IM MUSEUM
: Nahtoderlebnis

Es piept und dann ist Nacht, aber richtig

War das noch Traum oder schon Hier und Jetzt? Eben war Manni noch hin- und hergerannt zwischen Jute, Holz, Dispersion und hatte mit Biene einen wilden Tanz aufgeführt oder eine Keilerei, das war nicht so sicher, mit diesen ulkigen, weiß lackierten Papiermascheeklumpen am Stiel, unter Fernaufsicht des Neurologen Michelangelo Pistoletti sozusagen. Und dann war es auf einmal dunkel geworden. Möglicherweise hatte Biene ein wenig zu fest zugeschlagen. Professor Doktor Franz West musste kommen und den schwer demolierten Neurosekloß wieder zusammenflicken, und Manni verließ das Museum Ludwig so entspannt wie noch nie, auf einer Trage der Johanniter.

Unterwegs im Wagen fiel ihm ein, dass Morton Lederfresse neulich nach dem Gelage mit Loddi und den drei steilen Praktikantinnen von einer ähnlichen Nahtoderfahrung berichtet hatte. Lederfresse hatte sich wieder mal eine Herzmuskelentzündung angesoffen und musste zum Pumpencheck mit Lokalanästhesie in die Klinik. Wie er auf dem OP-Tisch liegt und der Arzt mit der Sonde in seiner Herzkammer rumfuhrwerkt, macht Lederfresse plötzlich schlapp – Kardioplegie! Grad in dem Augenblick – völlig verrückte Idee – ist Notstromprüfung im Krankenhaus, und alle Geräte gehen erst mal aus, das Licht auch. Lederfresse kriegt noch mit, wie es durchdringend piept und der Monitor eine schöne lange grüne Linie anzeigt, dann ist Nacht, aber richtig.

Und weiter? Manni warf einen Blick unter den Rock der hübschen Johanniterin, die gespannt auf den Fortgang der Geschichte wartete, und überlegte. Sollte er ihr jetzt vielleicht von Leders Gequassel über unvorhergesehene Wendepunkte und den unbedingten Willen zum Leben erzählen? Ach was. Nichts weiter, sagte er. Der Defibrillator war batteriebetrieben und der Notstrom funktionierte auch.

SASCHA JOSUWEIT