INSTRUMENT DER WOCHE
: Spirituelle Bewaffnung

Laut trötet sie auf dem Kirchentag: die Posaune als zutiefst christliches Instrument

Als Bratscher bist du vorbelastet. Im Sinfonieorchester sitzt du meist direkt vor der Posaune. Und wenn sie dann in irgendein Mahler-Finale bratzen, hast du natürlich – Bratsche links, Bogen rechts – die Hände nicht frei, um die Ohren zuzuhalten. Die Posaune zerplatzt dir das Trommelfell.

Eigentlich ist die Posaune keine Waffe. Sie ist ein Musik-Instrument, das ein wenig aussieht wie eine langgezogene goldene Brezel mit Schiebebügel und Schalltrichter. Wenn diese der Bremer Herbert Lätzsch mit seinen Zauberhänden gedengelt hat, dann sind Könnern klanglich atemberaubende Nuancen auf ihr möglich: So wie einem guten Bratscher auch mal eine Sechzehntel-Note glückt, kann ein wahrer Posaunist ein Spitzeninstrument so richtig singen lassen, warm und honigsüß. Zugleich aber ist sie, das trötet der Hamburger Kirchentag mit rund 40 Veranstaltungen mit Posaunenchorbeteiligung gerade wieder unüberhörbar ins Gedächtnis, ein zutiefst christliches, erzprotestantisches Instrument: Im evangelischen Posaunendienst in Deutschland haben sich 29 Posaunenwerke zusammengeschlossen, in deren Posaunenchören um die 110.000 Posaunenbläser in die Posaune blasen: Das sind zu viele. Dagegen hilft kein Ohropax.

Selbstredend ist die Posaunenchor-Bewegung eine Ausgeburt des sanft sprechenden, aber zunehmend aggressiven Pietismus: Zu dessen Anfangszeiten rühmt zwar noch der Hamburger Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock liebevoll „der Posaunen Chor“ als beste Möglichkeit, sich ins kosmische Konzert der Welten zum Preise Gottes einzuklinken, aber schon Immanuel Kant klagt 1790 in einem Aufsatz, dass es der „Posaune dogmatischer Behauptungen“ gelingt, die „Kritik der reinen Vernunft“ zu übertönen. Und ab Mitte des 19. Jahrhunderts stimmen die Saubermänner schon Vernichtungslieder auf der „Posaune des jüngsten Gerichts“ an, etwa gegen „Hegel, den Atheisten und Antichristen“.

Martin Luther ist nicht alleine schuld. Zwar lässt er die Israeliten Jericho per Posaune erobern, aber schon die Septuaginta, also die Übertragung der hebräischen Bibel ins Altgriechische, hatte das Schofár, ein aus dem Horn des männlichen Fettschwanzschafes gebautes traditionelles Signalinstrument, als „Salpinx“ wiedergegeben, ein griechisches Instrument, das man auch als Posaune auffassen kann.

Außerdem: Man sollte dem Schofár nicht nachtrauern. Es erzeugt ein nasales Quäken, das zwar um Längen leiser ist als ein Posaunenton, es ist aber immer fast gleich hoch – und lässt sich nicht stimmen. Mehrere dieser Widderhörner zugleich gespielt erzeugen also eine unauflösbare Dissonanz. Ihre kaum voneinander unterschiedene Frequenzen überlagern einander, sie reiben sich, bis der Magen kribbelt, die Fenster klirren und Mauern einstürzen.  BES