Hamburg im Wagner-Wahn

200. Geburtstag

So geht Denkmal! Zur Besichtigung berechtigt die „Wahncard 200“. Rund 100 Wahnfreunde haben sie erworben, diese Lizenz, wahnhaft allen Erlösungs-, Liebes-, Revolutionsidealen, also Wahnideen, zu frönen, die Musiktheater hervorzubringen vermag.

Mit diesem Wahn-Ticket sind alle zehn Hauptwerke Richard Wagners zu erleben, die an der Hamburgischen Staatsoper zum 200. Geburtstag des Komponisten (geb. 22. Mai 1813) vom 12. Mai bis 2. Juni gefeiert werden. So etwas gibt es nicht mal bei den offiziellen Wagner-Wahn-Festspielen in Bayreuth.

Denn es ist natürlich Wahnsinn: ein logistischer Kraftakt. Satte 39 Stunden und 45 Minuten dauern die Aufführungen – plus Pausen. Rund 1.234 Kostüme aus dem Stellinger Fundus kommen zum Einsatz. 40 Lkw müssen die Kulissen herbeitransportieren. Ganze 61 Kilogramm wiegen die Partituren. Alle werden dirigiert von der Australierin Simone Young, Intendantin und Generalmusikdirektorin der Staatsoper. Young ist Wagner-erfahren, Wagner-Fachfrau, aber nicht so wahnhaft dieser Musik verfallen, um als kongeniale Wagner-Wahn-Dirigentin zu gelten. Egal.

„Von den 16.720 Tickets sind nur noch Restkarten erhältlich“, sagt Staatsoper-Sprecherin Bettina Bermbach. Nicht nur als Musical-, auch als Opernstadt erzeuge Hamburg also touristische Effekte. Große Kartenkontingente wurden direkt aus Großbritannien, Dänemark, Australien und Japan gebucht. Wagnerwahn: ein weltweites Phänomen.

Auch bei jüngeren Menschen schwindet die Scheu vor den endlosen, einst von den Nazis vereinnahmten Werken, ihrem Ruf des Elitären und den Wahnideen des Komponisten, beispielsweise Antisemitismus. Wer Richard Wagner war, das können lediglich sechs Prozent der Deutschen nicht beantworten, zitiert die Deutsche Presseagentur eine „repräsentative“ Online-Umfrage.  JFIS