„Mein Mann fehlt immer“

HAUSBESUCH Ihr Gutshof sei ein Lebenswerk, sagt Barbara-Anne Möhlmann. Seit zehn Jahren pflegt sie ihn fast alleine

VON TERESA HAVLICEK
(TEXT) UND JOANNA NOTTEBROCK (FOTOS)

Landkreis Göttingen, Ortsteil Klein Schneen der Gemeinde Friedland, 600 Einwohner, zu Hause bei Barbara-Anne Möhlmann (56).

Draußen: Hofeinfahrt durch ein schwarzes Schmiedetor mit goldenen Spitzen. Fachwerkgebäude in U-Form, die ehemaligen Ställe gelb gestrichen. Früher lebten dort Schweine, Pferde, Kühe und Hühner, heute sind die Ställe zu Garagen, Miets- und Ferienwohnungen ausgebaut. In der Mitte des Hofes das Haupthaus von 1900, weiß gestrichen, zur Tür führt eine Treppe mit dunkelgrünem Geländer, davor zwei Buchsbäume, rund zurechtgeschnitten. Das Efeu ist grün, der Wein hat noch nicht ausgeschlagen („so schade, dass der dieses Jahr so spät kommt“). Drum herum anderthalb Hektar Land, der Baggersee umrankt von Bäumen, am Ufer eine Bank und ein Grill („ein Idyll“).

Drin: Vom Flur führt eine geschwungene Holztreppe in die obere Etage, links das Wohnzimmer, rechts das Esszimmer, von dort geht es in die Küche. Viele Fenster, alles ist hell („dies ist ein offenes Haus“). Blumentapeten, mehrere Schalen mit Obst, überall edle, antike Möbel, Kronleuchter, Spiegel, kleine Arrangements, Fotos, Postkarten, Erinnerungsstücke („so ein Haus ist ein Lebenswerk“). In der Küche Steinboden, ein dunkler Buffetschrank, auf der Ablage: eine ausgestopfte Ente. Anrichte und Theke aus Massivholz („Stein wäre mir zu kalt gewesen“), die Schränke im Landhausstil dunkelgrün lasiert. Auf dem Tisch im Esszimmer ist eine Käseplatte angerichtet, den Serrano-Schinken schneidet Barbara-Anne frisch auf. Ein Foto ihres Mannes steht auf einem Sims, davor ein kleiner Holzengel („von meiner Tochter“).

Was macht sie? Barbara-Anne kümmert sich um die Vermietung der Wohnungen, Hof- und Gartenpflege („man ist hier nie fertig“). Handwerkliches übernimmt ein Hausmeister, Barbara-Anne Buchhaltung und Organisation. Als sie vor zwanzig Jahren mit ihrem Mann auf den Hof seiner Eltern zog, war der ein rein landwirtschaftlicher Betrieb, die Mietwohnungen kamen nach und nach. Seit seinem Tod vor zehn Jahren bestellt ein Partnerbetrieb die Äcker („mein Mann fehlt immer, aber was nutzt es, man muss sich arrangieren“).

Was denkt sie? „Die Übergabe an die nächste Generation treibt mich am meisten um.“ In wenigen Wochen zieht Barbara-Annes älteste Tochter mit Mann und Kindern auf den Hof. Sie übernehmen das Haupthaus, Barbara-Anne zieht in eine der Wohnungen („wir sind dann ein Viergenerationenhof mit meiner Schwiegermutter, meiner Tochter und den Enkeln“). Barbara-Anne nimmt nur die liebsten Sachen mit, eine neue Küche sucht sie noch („ich wälze Kataloge“).

Barbara-Anne: Ihren Vater hat sie nie kennen gelernt, er starb früh, sie wuchs mit Mutter und Stiefvater in Göttingen auf. Die Familie stammt aus Thüringen, hatte einen Familienbetrieb mit Gaststätte und Hotel. 1945 Enteignung, in den Fünfzigern Flucht in den Westen („ich kenne das alles nur von Fotos“). Ihren Mann lernte Barbara-Anne während der Schulzeit in Göttingen kennen. Danach sechs Jahre in der Kleinstadt Meppen, dann auf den Familienhof nach Klein Schneen. Klassische Rollen: Er kümmerte sich um die Landwirtschaft, sie sich um Haus, Kinder und Vermietung („die Küche war als Erstes fertig, die muss funktionieren, wenn man Familie hat“). Ihr Mann starb kurz vor seinem 46. Geburtstag, die Töchter waren 18 und 20, die beiden Söhne in der Pubertät („der Tod kommt immer plötzlich, man ist immer unvorbereitet“). Die Kinder sind jetzt aus dem Haus, die Töchter verheiratet, die Söhne in Ausbildung („Wir reden viel über meinen Mann, das ist wohltuend, er ist immer dabei. Ich weiß noch heute immer gleich, was er zu den Dingen sagen würde“).

Das erste Date: Im Kino in Göttingen, „Bernhard und Bianca“ („von außen nichts Sensationelles, aber für uns war damals alles spektakulär“).

Die Hochzeit: 1981, „alles etwas bescheidener als heute so üblich“. Polterabend auf dem Hof, das Essen selbst gemacht, zwei Tage später kirchliche Trauung mit Eltern, Paten und Geschwistern. Nach dem Essen hat ihr Schwager sie entführt. Ihr Mann fand sie morgens um halb fünf in einer Kneipe in Friedland („zum Glück“). Dann haben sie noch getrunken und erzählt.

Der Alltag: Nach dem Aufstehen mit einem „anständigen, kräftigen Tee“ ins Arbeitszimmer, Mails checken, telefonieren. Frühstück „irgendwann am Vormittag“, danach Besorgungen mit dem Auto („man ist ruck, zuck in Göttingen, ich bin in zwölf Minuten am Ortsschild“). Abends zu Einladungen oder Kochen mit Freunden („eine entspannte Mahlzeit, bei der man Wein trinkt und erzählt, das ist so mein Privatleben“).

Wie finden Sie Merkel? „Ganz toughe Frau und wunderbare Bundeskanzlerin. Sie macht ihren Job konsequent, mit großer Ernsthaftigkeit und ist dabei sehr, sehr uneitel.“

Wann sind Sie glücklich? Abends mit netten Menschen an einem Tisch. „Solche Abende sind mir heilig.“

Nächste Woche treffen wir Familie Urmetzer in Stuttgart. Wenn Sie auch von uns besucht werden möchten, schicken Sie uns eine Mail an hausbesuch@taz.de