DANIEL SCHULZ LEUCHTEN DER MENSCHHEIT
: Erweckte Erwartungen im Osten

Geflohen wird in deutscher Erinnerung vor allem in eine Richtung. Von Ost nach West, von der Diktatur in die Freiheit. So gehen die meisten Erzählungen über den Grenzverkehr zwischen DDR und BRD. Der Journalist Peter Köpf schreibt in „Wo ist Lieutenant Adkins“ (Ch. Links Verlag, 2013) über Soldaten aus Nato-Ländern, die den entgegen gesetzten Weg genommen haben.

Viele aus Überzeugung. Zu ihnen gehört William D. Adkins, der US-Soldat gab dem Buch seinen Titel. Er schreibt seiner Mutter vor dem Abgang in die DDR, dass „die Vereinigten Staaten ein großes Land sind“, er aber glaube, „sie haben zurzeit die falschen Führer“. Adkins hofft, seine große Liebe – die ihn verlassen und somit die stärksten Bande in die Heimat gekappt hat – in sowjetischer Uniform wiederzusehen: „Ich werde dann ein Offizier der Armee sein, welche die USA befreit.“ Auch wenn manch Fliehender nicht aus hehren Motiven geht, sondern um der Strafe für Verbrechen zu entkommen, so streift Köpfs Buch doch immer wieder die Suche nach dem besseren Leben. Oder schlichter: nach einer Alternative.

Was an den grauen, ausgezehrten Gegenden des Ostblocks einst Erwartungen auf Gutes wecken konnte – dem spüren derzeit einige nach: Manche vordergründig wie Francis Spufford in „Rote Zukunft“ (Rowohlt, 2012), der unterhaltsam erzählt, wie Idealisten ausziehen in die sowjetische Planwirtschaft. Verspielter tut das auch „Schneckenmühle“ von Jochen Schmidt (C. H. Beck, 2013) über das letzte Ferienlager eines 14-Jährigen in der DDR. Zwar schimpft der über Vieles in seinem Land, aber das Buch bilanziert auch, was positiv war oder hätte sein können.

Glorifiziert wird in diesen Büchern nichts, aber auch nicht gestenreich die Ausweglosigkeit des Experiments demonstriert. Sondern erzählt – und häufig sehr fein –, wie Hoffnung endet. Wirklichkeit muss sich zu oft Wahrheit beugen, Zweifel dem Glauben. Von Anfang an. Das Autoritäre straft nur, es belohnt nicht.

Der Autor leitet das Ressort taz2/Medien