DISKUSSION NACH DEM TAZ.LAB: „MEINE DAMEN UND HERREN, LIEBE N-WÖRTER UND INNEN“
: „Es muss andere Argumente geben“

Stellungnahmen von Deniz Yücel, Sharon Otoo sowie Chefredakteurin Ines Pohl und taz.lab-Kurator Jan Feddersen zum Eklat auf dem taz.lab-Workshop führen zu zahlreichen Kommentaren und LeserInnenbriefen in der Online- und der Print-taz

Klartext

■ betr.: „Ihr habt einen an der Waffel“, taz vom 23. 4. 13

Hach, Deniz Yücel, endlich mal einer, der Klartext zum verrückten pc-Sprachgebrauch redet. Tatsächlich wird da etwas ver-rückt, wenn ich einzelne Wörter diskriminiere und nicht mehr rassistische und diskriminierende Verhaltensweisen, wenn ich Wörter aus ihrem Zusammenhang löse (siehe Martin Luther King). Nur der Kontext und was ich damit assoziiere kann Auskunft über die Intention eines verwendeten Wortes geben. Letztendlich verletzen nicht die Wörter, sondern Handlungen, und die gilt es zu bekämpfen. KATRIN SWOBODA,

Frankfurt am Main

Nicht salonfähig

■ betr.: „Ihr habt einen an der Waffel“, taz vom 23. 4. 13

Die Angst vor bösen Worten, die sogar dazu führt, dass Besucher_innen der beschriebenen Veranstaltung die Ohren zugehalten haben, ist lustig zu lesen. Sie sollten lieber Ohren und Augen öffnen, um rassistische Verhältnisse zu erkennen, die sich nicht in erster Linie in Worten festmachen. Nur was wollte Yücel mit dem Verlesen des Briefes von Martin Luther King eigentlich beweisen? Wenn er dort das Wort Neger benutzt, ist das genauso wenig ein Argument, wie wenn in einem Text von Karl Marx von Rassen gesprochen wird. Zudem ist es seit Jahrzehnten bekannt, dass diskriminierte Gruppen die sie diskriminierenden Begriffe übernehmen und zur Waffe machen. Das beste Beispiel war die Übernahme des Begriffs Nigger in den Sprachgebrauch der Black-Panther-Bewegung. Dass bedeutete nicht, dass sie diesen Begriff allgemein salonfähig machen wollten. Es muss also andere Argumente geben, wenn man sich dafür ausspricht, Begriffe wie Neger in alten Texten nicht zu streichen. PETER NOWAK, Berlin

Übertrieben

■ betr.: „Ihr habt einen an der Waffel“, taz vom 23.4. 13

Man kann es auch übertreiben mit diesem Neusprech. Da gibt es eine gravierende Unwucht in der heutigen Rassismusdebatte. Diese neue Sittenpolizei wird mich auch noch zur Strecke bringen wollen, sei es als Pippi- Langstrumpf-Fan, als Vertilger von Schokoküssen oder Kritiker der israelischen Siedlungspolitik. So verkommt pc zu dem, was sie eigentlich nie sein wollte, ein rechter Kampfbegriff wird von selbst ernannten Linken okkupiert. J. SCHIERHOLZ, Bremen

Ein Unwort

betr.: „Einfach mal zuhören“, taz vom 30. 4. 13

Als taz.lab-Teilnehmer, der der besagten eskalierten Veranstaltung beiwohnte, bin ich froh, dass Frau Otoo die Gelegenheit gegeben wurde, die Ereignisse aus ihrer Sicht zu schildern, wurden diese doch so in ein wahrhaftigeres Licht gerückt. Frau Otoo hatte im Verlauf der Diskussion in sehr eindrücklicher, eindeutiger Weise ausgeführt, warum jenes Unwort weder heute noch jemals in der Vergangenheit eine anders geartete als eine über die Maßen menschenverachtende Bedeutung hat und hatte und dass der einzig angemessene Umgang mit ihm ist, es aus unserem Wortschatz ein für alle Mal zu tilgen – denn solange wir unseren Kindern beibringen, dass es sich hierbei um ein unaussprechliches Schimpfwort handelt, wird es als ein genau solches weiterleben.

Ein schlichtweg erschreckender Auftritt. Übrigens: Der Veranstaltungsort war das Café Global im Haus der Kulturen der Welt, ein Ort der den gegenseitigen Respekt im Namen trägt.

SEBASTIAN STECK, Hamburg

Zivilcourage zeigen

betr.: „Einfach mal zuhören“, taz vom 30. 4. 13

Herzlichen Dank an die Redaktion, die Frau Otoo ermöglichte, über ihre Eindrücke zu schreiben.

Das gute Foto zeigt die Stimmung – sie spiegelt sich in den Gesichtern der fünf abgebildeten Personen. Frau Otoo spricht in ihrer ausgezeichneten Stellungnahme an, was auch mir als im Lehrberuf tätiger T-Frau wichtig ist. Ohne Zivilcourage und Sensibilität ändert sich nichts an der Marginalisierung von Randgruppen.

ANDREA BULLMER, Nürnberg

Solidarität zeigen

betr.: „Einfach mal zuhören“, taz vom 30. 4. 13

Liebe Frau Otoo, dieser eine Satz in Ihrem Artikel hat es gebracht: „Auch mittels Sprache kann ich mich solidarisch zeigen.“ Unzählige Diskussionen habe ich über das N-Wort gelesen und blieb dennoch zögerlich, ob man die alten Erzählungen unbedingt in Political-Correctness-Fassungen umwandeln muss. Sie haben mich bekehrt. URSULA NEUHAUSER, Hamburg

„Nachhilfe“

betr.: „Einfach mal zuhören“, taz vom 30. 4. 13

Liebe Frau Otoo, vielen Dank für Ihren Artikel, ich bin dadurch erst aufmerksam geworden und habe dann im Netz nachrecherchiert. Mein Eindruck, dass in der taz zumindest unsensibel, häufig diskriminierend und beleidigend mit Sprache umgegangen wird, hat sich nur bestätigt. Schlimm für JournalistInnen: nicht nur in dem Bereich ein Defizit zu haben, sondern sich dessen nicht bewusst zu sein. Es gibt Fortbildungen zum bewussten Umgang mit Sprache, man muss nicht unsensibel bleiben! Schade, wenn man erst „Nachhilfe“ bei einer Podiumsdiskussion bekommen muss, und peinlicherweise noch durch einen Gast! KERSTIN RÄTHKE, Bremen