BAHMAN NIRUMAND ÜBER DIE OPPOSITIONSBEWEGUNG IM IRAN
: Westliche Fehleinschätzung

Die Machthaber in Teheran ziehen alle Register, die einer Militärdiktatur zur Verfügung stehen: Massenverhaftungen, Folterungen, Schauprozesse, erzwungene Geständnisse, Hinrichtungen. Offenbar sind alle Versuche moderater Konservativer, zwischen Hardlinern und dem systemtreuen Teil der Opposition zu vermitteln, gescheitert. Die Hardliner wollen sich auf keine Kompromisse einlassen, denn – wie ein Freitagsprediger sagte – selbst eine Geste der Versöhnung könnte „katastrophale Folgen“ haben.

Aber auch die Opposition ist nicht bereit, den Widerstand aufzugeben. Selbst die Systemtreuen, die nicht den Sturz des Staates, sondern nur Reformen anstreben, scheinen sich bewusst zu sein, dass sich die Chance zu Veränderungen so bald nicht wieder bieten wird. Lasst euch nicht einschüchtern!, riefen daher die Oppositionsführer Mir Hossein Mussawi und Mehdi Karrubi. Sie haben das Volk aufgerufen, den Jahrestag der Revolution am 11. Februar zu neuen Protestdemonstrationen zu nutzen. Dieser Tag könnte entscheidend werden.

Umso erstaunlicher ist, dass der Westen die Brisanz dieser Lage ignoriert und sich weiterhin auf den Atomkonflikt konzentriert. Die USA und die EU drängen auf harte Sanktionen, und Washington beschleunigt den Aufbau von Antiraketenschilden am Persischen Golf. Als wolle man bewusst von dem inneren Konflikt im Iran ablenken und dem Regime unter die Arme greifen. Die Radikalen im Iran werden das Eskalieren des Konflikts mit dem Westen wohl heimlich begrüßen. Das Vaterland und der Islam seien in Gefahr, rufen sie. In dieser Notlage müsse sich das Volk vereint hinter die Regierung stellen. Jede Kritik, die das Volk spalte, gelte als Kollaboration mit ausländischen Feinden. Das ist die logische Konsequenz, die sich aus der gegenwärtigen Strategie des Westens ergibt.