Der Norden macht Welle

Schleswig-Holstein kündigt an, im Bundesrat gegen die Föderalismusreform zu stimmen. Der Versuch, arme Länder gegen die wohlhabenden in Position zu bringen, dürfte allerdings schief gehen

von Kai Schöneberg

Das gibt sicher eine freudig erregte La Ola im Rest der Bundesländer. Schleswig-Holsteins Innenminister Ralf Stegner (SPD) macht Wellen bei der Neuordnung der Bund-Länder-Beziehungen. Weil es Wellenbrecher „bekanntlich nur an der Küste gebe“, werde Schleswig-Holstein der Föderalismusreform in ihrer derzeitigen Form nicht zustimmen. Damit droht das erste Bundesland, die seit Jahren diskutierte „Jahrhundertreform“ im Bundesrat abzulehnen. Grund: Stegner fürchtet, dass bei der vereinbarten Übertragung der Zuständigkeit für Beamte vom Bund auf die Länder „ein aggressiver Wettbewerbs-Föderalismus“ ausbreche. Im Extremfall werde das 17 verschiedene Beamtenrechte mit „überflüssiger Bürokratie“ erzeugen. Zudem werde es für Beamte schwieriger, über die Landesgrenzen zu wechseln, „das alles wäre ein Rückfall in die Kleinstaaterei des 19. Jahrhunderts“, sagte Stegner zur Süddeutschen Zeitung.

Wenn jedes Bundesland seine Bediensteten nach eigener Kraft bezahle, würden „uns die besten Beamten abgeworben“, ärgerte sich der Innenminister. Reiche Länder wie Bayern oder Hessen wollten den weniger Wohlhabenden auf diese Weise eine Neugliederung „aufzwingen“, indem sie ihnen „die Grenzen ihrer Möglichkeiten aufzeigen“, polterte Stegner. Jawohl, das sei die „Position, die die Landesregierung beschlossen hat“. Noch vor Unterzeichnung des Koalitionsvertrags hatten sich CDU und SPD Anfang November auf die Mutter aller Reformen geeinigt. Ziel der zuletzt Ende 2004 gescheiterten Föderalismusreform ist es, die Verantwortlichkeiten von Bund und Ländern klarer zu regeln und die Zahl der vom Bundesrat zustimmungspflichtigen Gesetze von derzeit etwa 60 auf 35 Prozent zu reduzieren. Eigentlich soll die erste Stufe der Reform noch vor der Sommerpause 2007 abgeschlossen werden.

Allerdings braucht es dazu eine Zweidrittel-Mehrheit auch im Bundesrat. Nein, so Stegner, er wolle nicht den „Don Quichotte der deutschen Länder spielen“. Allerdings teilten „viele“ ärmere Landesregierungen seine Position. Stimmt nicht ganz. Allein Mecklenburg-Vorpommern stimmte gestern dem wellenbrechenden Schleswig-Holsteiner zu, Ablehnung kam selbst aus dem bitterarmen Bremen. „Es macht keinen Sinn, das Paket auf der Zielgeraden aufzuschnüren“, sagt der Sprecher von SPD-Bürgermeister Jens Böhrnsen, Klaus Schloesser. Auch die Bremer seien nicht mit allen Kompromissen der Reform zufrieden, so bei der Übertragung der Befugnisse für den Strafvollzug auf die Länder. Allerdings sei das Risiko des Beamtenabwerbens „rein theoretisch“, da viele Bremer Landesbedienstete „in der Stadt gute Perspektiven und Lebensbedingungen“ fänden, betonte Schloesser. Bremen werde der Föderalismusreform im Bundesrat auch deshalb zustimmen, um nicht deren geplante zweite Stufe zu gefährden. Dabei wollen die Bremer für eine stadtstaatengerechtere Verteilung der Finanzströme streiten.

Auch Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) hatte bereits für „eine Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen“ in einem zweiten Reformanlauf gesprochen. Eine Reform der Reform werde es „nur im Konsens geben“, betonte gestern Wulffs Sprecher Olaf Glaeseker. Ansonsten werde die Föderalismusreform in der Form Gesetz, „wie das die Ministerpräsidenten bereits vereinbart haben“.

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