„Das ist moderne Schutzgelderpressung“

Polizei-Ermittlungen nach der Schießerei an der Disco-Meile ziehen sich hin. Szene-Kenner sehen das Türsteher-Milieu fest in den Händen der organisierten Kriminalität. Drogenhandel und Schutzgeld-Erpressung seien dort an der Tagesordnung

Hinweise von Seiten der Disko-Betreiber „wären unsere Wunschvorstellung“

Bremen taz ■ Die Hintergründe der Schießerei an der Disco-Meile, bei der in der Nacht zu Freitag sechs Menschen zum Teil schwer verletzt wurden (taz berichtete), sind weiter unklar. Nach Angaben der Polizei verweigern nicht nur die fünf Tatverdächtigen, die in Untersuchungshaft sitzen, die Aussage. Auch die BetreiberInnen der Diskotheken und Etablissements hielten sich mit Informationen zurück. „Uns gibt man wenig Einblick“, sagte Polizei-Sprecher Ronald Walter. Eigene Informanten habe man auch so gut wie keine: „Das ist eine Szene mit großem Dunkelfeld.“

Im Raum steht insbesondere der Verdacht, dass die Schießerei auf einen Streit innerhalb der so genannten Türsteher-Szene zurückzuführen sei – und dass diese fest in Händen organisierter Kriminalität sei. Berichte von Insidern stützen diese Vermutung: Noch vor Jahren hätten Türsteher lediglich unerwünschte BesucherInnen fern halten sollen, sagt einer, der selbst jahrelang in dem Metier gearbeitet hat. Inzwischen sei der Job – zumindest in Bremen – längst in den Händen von organisierten Banden, die ihr Geld mit Drogenhandel verdienten. Die normalen Regeln von Einstellen und Entlassen gälten in diesem Bereich nicht, die Disko-Betreiber seien längst nicht mehr Herr im eigenen Haus. Vielmehr würden sie gezwungen, die ungeliebten Wachmänner vor ihren Türen auch noch zu entlohnen – „moderne Schutzgeld-Erpressung“, sagt der Insider dazu.

Disko-Betreiber wie Rainer Büsing vom „Stubu“ wiesen derlei Mutmaßungen bisher zurück. Er habe „nie“ Probleme mit organisierter Kriminalität gehabt „und sehe sie auch nicht“, betonte Büsing am Freitagabend im Fernseh-Interview mit buten un binnen. Szene-Kenner wollen anderes beobachtet haben. Büsing etwa müsse inzwischen 15 Türsteher bezahlen, und zwar alles andere als freiwillig, berichten sie. Bandenfremde Türsteher würden von den Clans mit Drohungen systematisch vertrieben. Büsing war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Dass Disko-Betreiber genötigt werden, ganz bestimmte Türsteher – und nur diese – zu engagieren, hält inzwischen auch die Bremer Polizei nicht mehr für ausgeschlossen. Anzeigen von Seiten der Betroffenen, etwa wegen Nötigung oder Erpressung, habe es bisher aber nicht gegeben. Derartige Hinweise „wären unsere Wunschvorstellung“, heißt es bei der Polizei. Sie seien aber „leider viel zu selten“.

Kenner der Szene verwundert das nicht. Ein Betreiber einer Diskothek oder eines Etablissements, der mit derlei Informationen aufwarte, müsse über kurz oder lang um sein Leben fürchten, weiß einer. Und die Polizei sage ihm auch nur: „Ruf’ uns an, wenn was passiert.“ Schon das bloße Auftauchen der Ordnungshüter in einem Etablissement gelte unter den Türsteher-Banden als Affront. Die Disko-Besitzer, ist der Ex-Türsteher sicher, „die haben Schiss“.

Die Polizei hat nach eigenen Angaben inzwischen Gespräche mit den Betreibern der beiden in die Schießerei verwickelten Etablissements aufgenommen, „um die Sicherheit dort wieder herzustellen“. Nach Informationen der taz hat das „Tollhaus“, vor dessen Tür der Streit in der Nacht zu Freitag begonnen hatte, daraufhin sein komplettes Türsteher-Personal ausgewechselt. Von langer Dauer, sind Insider überzeugt, werde diese Maßnahme aber nicht sein. Sowie wieder etwas Gras über die Sache gewachsen sei, prophezeien sie, würden die Türsteher-Banden wieder Druck machen. Bis sie die Türen wieder unter ihrer Kontrolle hätten. sim