Mutmaßliche Journalistenmörder vor Gericht

In der Ukraine beginnt der Prozess gegen drei Expolizisten. Sie sollen Georgi Gongadse im Jahre 2000 getötet haben

BERLIN taz ■ Vor dem Kiewer Berufungsgericht hat gestern der Prozess gegen drei ehemalige Polizisten begonnen. Sie sind angeklagt, im Jahre 2000 den regimekritischen ukrainischen Journalisten Georgi Gongadse zuerst entführt und dann ermordet zu haben. Ein vierter Angeklagter ist derzeit noch flüchtig.

Gongadse, Mitherausgeber der Internetzeitung Ukrainska Pravda, war am 16. September 2000 verschwunden. Im November wurde in einem Wald bei Kiew eine kopflose, mit Säure übergossene Leiche gefunden, die Monate später als die Gongadses identifiziert wurde. Kurz darauf machte der Chef der Sozialistischen Partei, Alexander Moros, Bänder mit Gesprächen öffentlich, die ein früherer enger Geheimdienstmitarbeiter des damaligen Präsidenten Leonid Kutschma heimlich mitgeschnitten hatte. In den aufgezeichneten Gesprächen unterhalten sich drei Männer, wie man Gongadse beseitigen könne. Die Stimmen wurden Kutschma, dem damaligen Innenminister Juri Krawtschenko sowie dem heutigen Parlamentsvorsitzenden Wladimir Litwin zugeordnet.

Bis zur orangenen Revolution im Herbst 2004 passierte im Fall Gongadse – außer verschleppten Ermittlungen – nichts. Im Januar 2005 kündigte der neue Präsident Wiktor Juschtschenko vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarates an, den Mord von der Generalstaatsanwaltschaft neu untersuchen zu lassen. Am 5. März wurden drei Angehörige der Sicherheitskräfte verhaftet. Einen Tag zuvor, nur Stunden vor seiner Vernehmung, war Juri Krawtschenko erschossen aufgefunden worden – Selbstmord, lautete die offizielle Version.

Im vergangenen September legte ein Untersuchungsausschuss des ukrainischen Parlaments seinen Abschlussbericht zum Fall Gongadse vor. Darin wird Exstaatschef Leonid Kutschma als einer der Drahtzieher des Mordes an Gongadse namentlich genannt

Konsequenzen hatte das bislang keine. Auch durch den Prozess dürfte sich daran nichts ändern. Während einer ersten Anhörung im Fall Gongadse vor knapp drei Wochen lehnte die Vorsitzende Richterin Iryna Hryhorjewa es ab, ein Ermittlungsverfahren zur Feststellung der Auftraggeber des Mordes an Gongadse einzuleiten.

Da diese Personen offenbar nicht zur Verantwortung gezogen werden sollen, hält Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, FDP-Politikerin und Berichterstatterin für den Gongadse-Fall im Europarat, den jetzigen Prozess nicht für sinnvoll. Denn auch die eigentlich Verantwortlichen, die den Auftrag erteilt hätten, gehörten auf die Anklagebank. Der Prozess zeige jedoch, „dass anscheinend damit versucht wird, den Fall Gongadse endgültig abzuschließen“, sagte sie unlängst in einem Interview.

Lesja Gongadse, die Mutter des Getöteten, macht sich erst gar nicht auf den Weg vom Lwiw nach Kiew. „Das ist doch wieder das gleiche Spiel“, sagt sie. „Mich überrascht, dass die Generalstaatsanwälte, die Abgeordneten und die Präsidenten wechseln. Doch bei dem Prozess läuft alles wieder nach dem gleichen Muster.“ BARBARA OERTEL