Muslim-Test führt zu Koalitionskrach

Der baden-württembergische Justizminister Ulrich Goll (FDP) fordert jetzt doch grundlegende Veränderungen bei der Gesinnungsprüfung zur Einbürgerung. Diese will er dem CDU-Innenminister heute im persönlichen Gespräch unterbreiten

von SABINE AM ORDE

Mit einiger Verspätung könnte der „Muslim-Test“ nun doch zu Streit in der baden-württembergischen Landesregierung führen. Der FDP-Politiker Ulrich Goll (FDP), der sowohl Justizminister als auch Ausländerbeauftragter Baden-Württembergs ist, will am heutigen Dienstag Innenminister Heribert Rech (CDU) am Rande der Kabinettssitzung zu grundlegenden Veränderungen an dem Test auffordern. „Der Test darf nicht nur für Muslime gelten, sondern muss für alle gelten, die sich einbürgern lassen wollen“, sagte Goll der taz. Außerdem müssten die Fragen noch einmal überarbeitet werden. Bislang hatte sich der FDP-Politiker, der auch Spitzenkandidat seiner Partei bei den Landtagswahlen im März ist, mit Kritik zurückgehalten.

Seit Jahresbeginn müssen sich in Baden-Württemberg Muslime, die sich um einen deutschen Pass bewerben, einem bundesweit einzigartigen Gesinnungstest unterziehen. Das Stuttgarter Innenministerium hat dafür einen Gesprächsleitfaden entwickelt, der 30 Fragen umfasst. Die Antworten der Antragsteller werden protokolliert und müssen anschließend von diesen unterzeichnet werden. Falsche Angaben können noch Jahre später zum Verlust der Staatsangehörigkeit führen, heißt es im CDU-geführten Innenministerium. Der Leitfaden ist speziell für Einwanderer aus den 57 Staaten konzipiert, die der Islamischen Konferenz angehören. Andere Einbürgerungswillige werden nur dann überprüft, wenn Zweifel an ihrem Bekenntnis zum Grundgesetz bestehen.

„Wenn der Test nur für Muslime gilt, machen wir eine Front auf, die nicht sinnvoll ist“, sagte Goll. „Er muss im Grundsatz für alle gelten.“ Zudem müsse der Fragenkatalog überarbeitet werden. Nicht zielführend seien zum Beispiel die Fragen nach der Stellung zur Homosexualität. „Da erkenne ich nicht den Zusammenhang mit dem, was man erreichen möchte“, sagte Goll. Die Einstellung zur Rolle der Frau abzufragen hält der Minister dagegen für sinnvoll.

Zu einer Regierungskrise will es der FDP-Politiker trotz der im März bevorstehenden Landtagswahl aber nicht kommen lassen. „Wir sind uns in grundsätzlichen Zielen ja völlig einig“, sagte Goll. „Wir wollen nicht die Katze im Sack kaufen und keine Islamisten einbürgern.“ Generell halte er den Gesinnungstest deshalb für richtig. „Die bisherige Loyalitätsbekundung reicht nicht aus.“ Bislang müssen alle Einwanderer, die einen deutschen Pass beantragen, ein Bekenntnis zum Grundgesetz unterzeichnen.

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Renate Künast, kritisierte den Stuttgarter Gesprächsleitfaden gestern scharf. Die CDU/FDP-Landesregierung betreibe „Gesinnungsschnüffelei“, indem sie mit moralischen Fragen die Einbürgerungsanwärter aushorche. Der Leitfaden müsse sofort zurückgenommen werden. Künast kündigte für die kommenden Tage dazu einen parlamentarischen Antrag der Grünen im Bundestag an. Die Fraktion will mit einer bundesweiten Verwaltungsvorschrift klarstellen lassen, dass moralische Einstellungen nicht erhoben werden dürfen. „Ein Rechtsstaat darf keine moralischen Haltungen abfragen.“ Man könne von Einbürgerungswilligen nur verlangen, dass sie die Gesetze respektierten.

Der Städtetag Baden-Württemberg schlug unterdessen eine Arbeitsgruppe von Land und Kommunen zur Überprüfung der Regelung vor. Eine anhaltende Diskussion über das neue Einbürgerungsverfahren bei Muslimen würde der Integration dieser Bevölkerungsgruppe schaden, sagte Verbandssprecher Manfred Stehle. „Auch ein geändertes Verfahren muss eine zuverlässige und objektive Beurteilung der Einstellung des Ausländers zur unserer Rechts- und Wertordnung gewährleisten.“