Nichts als Scherben

MUSIKGESCHICHTE Rio Reisers ehemaliger Hof und Rückzugsort Fresenhagen steht zum Verkauf

„Künstlerdomizil“ steht in der Anzeige im Internet und „reetgedeckter Friesenhof mit großzügigem Grundstück“. Verkaufspreis: 450.000 Euro. Kein Wort über Rio Reiser und seine Band Ton Steine Scherben, die den Hof 1975 für 50.000 Mark als Rückzugsort und Freiraum kauften. Deshalb, und weil Reiser 1996 auf dem Grundstück bestattet wurde, ist Fresenhagen nicht nur für Fans ein bedeutungsschwerer Ort, so verglich die Süddeutsche Zeitung das Anwesen gar mit dem Goethehaus in Weimar.

Eigentümer der Immobilie sind heute Reisers hinterbliebene Angehörige, also seine Brüder Peter und Gert Möbius und dessen Frau. Nach dem Tod seines Bruders gründete Gert Möbius zusammen mit Freunden und ehemaligen Bandmitgliedern einen Verein, um das Haus zu halten. Ein Museum wurde eröffnet, außerdem gibt es ein Tonstudio, eine Veranstaltungsscheune und ein Café.

Gert Möbius hat nun trotzdem den Verkauf in die Wege geleitet, weil die Finanzen aus dem Ruder laufen. Zu weit ab vom Schuss ist der Hof, zu gering ist das Interesse der Bevölkerung vor Ort, Fresenhagen kann kaum seine Unkosten decken.

Förderung durch die öffentliche Hand könnte eine Lösung sein. Um einen Termin bei Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter-Harry Carstensen habe er gebeten, aber keinen bekommen. Möbius wäre es am liebsten, wenn „der Verein das Haus durch Spenden oder Sponsoren erhalten könnte“.

Gleichzeitig läuft der Verkauf. Acht Interessenten habe es bisher gegeben, sagt Möbius. „Aber ich will das Haus nicht verscherbeln. Ich will nicht, dass da jemand reinkommt, der nichts damit zu tun hat.“ Leute, die etwas damit zu tun haben könnten, wären andere Musiker. Udo Lindenberg vielleicht. Oder Annette Humpe.

Der Makler sagt auf Anfrage, der Erhalt der Rio-Reiser-Gedenkstätte sei zwar gewünscht, aber keine Bedingung für den Verkauf. Im Ernstfall hieße das: alles raus, das Museum, das Tonstudio, die Veranstaltungsscheune. Und das Grab? „Rio ist Berliner“, sagt Gert Möbius. „Wenn es ernst werden würde, würde ich ihn dahin umbetten.“ KLAUS IRLER