MERKEL BEI BUSH: PROBLEMATISCHER ALS EIN BESUCH BEI DEN CHINESEN
: Guantánamo schnell abgearbeitet

Was waren das noch für Zeiten, als der Antrittsbesuch deutscher Kanzler in Washington vor allem eins signalisierte: Man war wirklich irgendwie wichtig. Der Bildtermin im Rosengarten des Weißen Hauses, der herzliche Händedruck des US-Amtsinhabers bei weitgehender Einigkeit in wichtigen außenpolitischen Fragen hoben – rein optisch jedenfalls – das Image der Kanzler in Deutschland. Vorbei. Wenn heute, nach fünf Jahren Bush-Regierung, die neue deutsche Kanzlerin Angela Merkel nach Washington reist, dann ist das ein schwieriger Termin, der in der Öffentlichkeit kritischer wahrgenommen wird als ein Treffen mit der chinesischen Staatsführung.

Angela Merkel muss bemüht sein, ihr Image aus der Zeit vor dem Irakkrieg loszuwerden, als die damalige Oppositionsführerin nach Washington gereist war, um Schröders Antikriegshaltung zu diskreditieren. Zudem wollte sie nicht noch einmal eine Düpierung wie beim Besuch der US-Außenministerin in Deutschland vor fünf Wochen erleben; da hatte Merkel behauptet, Condoleezza Rice habe in Sachen CIA-Flüge einen Fehler zugegeben, doch die US-Seite dementierte. Ihre Kritik am berüchtigten US-Gefängnis in Guantánamo sollte diesmal unliebsame Überraschungen verhindern.

Dass die USA in der Person des Außenamtssprechers der Kanzlerin nun schon im Vorfeld des Besuches widersprochen haben, darf Merkel freuen. Denn damit ist zu diesem Thema alles gesagt, ohne dass man miteinander gesprochen hat, und der Besuch kann gleich viel entspannter ausfallen. Schließlich will Merkel nicht die Menschenrechtspolitik der USA verbessern, sondern das deutsch-amerikanische Verhältnis und ihr eigenes Profil.

Aber die Halbherzigkeit in dieser Frage könnte, so steht zu befürchten, symptomatisch sein für die Außenpolitik der großen Koalition. Tatsächlich hat der außenpolitische Grundkonsens der großen Parteien Risse bekommen. USA, China, Russland, UNO – in keiner Frage herrscht zwischen CDU und SPD echte Einigkeit. So bleibt nur ein kleinster gemeinsamer Nenner, der sich daran ausrichtet, was innenpolitisch ankommt und nach außen wenig Lärm macht. Ein bisschen wenig für die nächsten Jahre. BERND PICKERT