Afrikas Selbstzerstörung

FUSSBALL Kaum ein Team konnte bei dem Turnier überzeugen. Ausnahmen: die nicht für die WM qualifizierten Ägypter und Ghanas junge Reservemannschaft

Strafe: Togo darf an den nächsten zwei Turnieren nicht teilnehmen. Damit reagiert die Afrikanische Fußball-Föderation auf die „Einmischung der Politik“. Togos Ministerpräsident hatte nach dem Attentat auf den Mannschaftsbus zu Beginn des Turniers die Rückkehr der Delegation angeordnet.

■ Sieger: Das 1:0 gegen Ghana bescherte Ägypten den dritten Titel in Folge und den siebten insgesamt.

Torschützen: Mohamed Gedo (Ägypten) schoss fünf Tore; Flávio (Angola) und Asamoah Gyan (Ghana) trafen jeweils dreimal.

■ WM-Teilnehmer: Ghana wurde Zweiter; Nigeria, Kamerun und Algerien erreichten das Halbfinale, die Elfenbeinküste kam ins Viertelfinale. WM-Gastgeber Südafrika hatte sich nicht qualifiziert. (jst)

VON DANIEL THEWELEIT

Vielleicht fällt in den nächsten Tagen in dem ein oder anderen der klimatisierten Konferenzräume der Fußballverbände in Yaoundé, Abuja oder Abidjan ja der Name Jürgen Klinsmann. Der ehemalige Bundestrainer gilt als Mann für kurzfristige Spezialaufträge. Und nach solchen Typen wird derzeit in Kamerun, Nigeria und der Elfenbeinküste gefahndet.

Denn der Afrika-Cup hat wieder mal ganze Arbeit geleistet, drei der sechs afrikanischen WM-Teilnehmer befinden sich nach größtenteils leblosen Auftritten in der Krise. Von den Trainern Paul Le Guen (Kamerun), Vahid Halilhodzic (Elfenbeinküste) und Shaibu Amodu (Nigeria) hatten die Funktionäre mindestens eine Finalteilnahme erhofft, nun müssen sie ernsthaft ihre Entlassung fürchten.

Der Ivorer Guy Demel, der für den Hamburger SV spielt, bezeichnet so einen Trainerwechsel zum jetzigen Zeitpunkt als „chaotisch“. Doch die meisten Auftritte der WM-Teilnehmer waren derart trist, dass der in Afrika besonders starke Trainerentlassungsreflex längst ausgelöst wurde.

Sportliche Gründe gibt es dafür durchaus. „Ganz wichtig ist, was für Trainer diese Mannschaften betreuen“, sagt Urs Siegenthaler, der Scout von Bundestrainer Joachim Löw, der das Turnier in Angola beobachtet hat. Immer noch stellen Afrikas Verbände Trainer ein, die weder auf Weltklasseniveau gespielt noch trainiert haben – was freilich nicht immer an ihnen liegt. Zuweilen sind solche Leute zu teuer, oft verweigern sie sich der Einflussnahme von Sportministern und werden darum nicht angeheuert, oder Afrika ist ihnen zu nervenaufreibend.

Doch so sinnvoll ein Wechsel der sportlich Verantwortlichen im ein oder anderen Fall auch sein mag, er käme zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Bis zur konkreten WM-Vorbereitung, die mit dem Ende der Klubsaison im Mai beginnt, haben die meisten Nationen keine weiteren Lehrgänge geplant. Ein neuer Trainer kann seine Mannschaft vor der Benennung des WM-Kaders nicht kennenlernen. Zumal nach den sportlichen Eindrücken dieses Afrika-Cups viele zusätzliche Übungseinheiten notwendig sind, um die Mannschaften auf WM-Niveau zu bringen.

Denn bis auf den Turniersieger Ägypten, der sich nicht für die WM qualifizieren konnte, hat keine Mannschaft spielerisch überzeugt. Die Qualität des Fußballs war bisweilen haarsträubend. Stars wie Didier Drogba, Yaya Touré, John Obi Mikel oder Samuel Eto’o enttäuschten, Michael Essien spielte verletzungsbedingt nur eine Halbzeit lang. Die fantastisch besetzte Mannschaft der Elfenbeinküste scheiterte an der Angst vor dem Scheitern, Kamerun und Nigeria wirkten müde und wenig homogen, und die Algerier waren „ausgebrannt“, wie Siegenthaler meint.

Einen echten Nutzen konnte nur Deutschlands WM-Gegner Ghana aus dem Turnier ziehen. Die halbe Stammelf des Teams von Milorad Rajevac fehlte verletzt, der Serbe hatte viele sehr junge Spieler im Kader. Für den Überraschungsfinalisten entpuppte sich dieses Turnier als wunderbarer Test, die Besten der Newcomer wie André Ayew haben wertvolle Erfahrungen gesammelt und werden die etablierte Mannschaft bei der WM verstärken. „Die Jungen haben ihre Qualität unter Beweis gestellt, sie sind stark“, sagt Rajevac.

Jenseits solcher kleinen Lichtblicke hat das große afrikanische Fußballjahr aber überaus freudlos begonnen. Der Afrika-Cup hat mit dem Anschlag auf die Nationalmannschaft Togos die Ängste der Welt vor der WM geschürt, der Kontinentalverband CAF hat sich praktisch in allen Schlüsselmomenten der Krise falsch verhalten, und der Fußball hat wenig dazu beigetragen, die Negativschlagzeilen in den Hintergrund zu rücken.

Nun bleiben lediglich vage Hoffnungen. Auf ein überraschendes Aufblühen der Ivorer zum Beispiel. Oder auf eine Sensation beim südafrikanischen Team. Möglicherweise entpuppt sich dessen Versagen in der Qualifikation für den Afrika-Cup im Nachhinein sogar als Vorteil. Zumindest sind dem Team des WM-Gastgebers die Wirren dieses merkwürdigen Kontinentalturniers erspart geblieben.