AMERICAN PIE
: Geschichte im Outfield

BASEBALL Mit Donald Lutz, der für die Cincinnati Reds schon Starter war, hat es tatsächlich ein Deutscher in die Major Leagues geschafft

Sein Manager nennt ihn „Big Lutz“. Aber abgesehen davon ist Donald Lutz noch keine wirklich große Nummer in den USA. Der 24-jährige Baseballspieler ist seit gut einer Woche im Major League Baseball (MLB), also in der ersten Liga des Sports, angekommen. Dort sitzt er bei den Cincinnati Reds vornehmlich auf der Bank und wird meist erst zum Ende des Spiels eingewechselt. Wenn überhaupt. Aber trotzdem schreibt Donald Lutz gerade Geschichte: Er ist der erste Deutsche in den Major Leagues.

Rein faktisch stimmt das zwar nicht, denn ein fleißiger Statistiker hat 144 Jahre MLB-Geschichte durchforstet und herausgefunden, dass schon 41 Spieler in den beiden höchsten Profiligen auflaufen durften, die in Deutschland geboren wurden. Dabei handelte es sich allerdings entweder um Söhne von in Deutschland stationierten Soldaten oder um Immigranten, die im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert ins gelobte Land kamen.

So gesehen ist Lutz tatsächlich der erste echte Deutsche, der es in die MLB geschafft hat. Der 1,90 große Outfielder ist in den USA geboren, dann in Deutschland aufgewachsen und hat hier das Baseballspielen gelernt. Er kam 1989 in Watertown als Sohn eines afroamerikanischen Vaters und einer deutschen Mutter zur Welt. Nachdem sich die Eltern getrennt hatten, zog Mutter Marlen mit dem acht Monate alten Donald und seinen älteren Geschwistern zurück nach Deutschland. Im hessischen Friedberg kam er zwar erst mit 14 zum Baseball, entpuppte sich aber als solches Talent, dass er schon fünf Jahre später von den Cincinnati Reds verpflichtet wurde.

Damit war Lutz aber immer noch meilenweit entfernt von der „Big Show“, wie die Major Leagues in den USA genannt werden. Denn jedes Team hat Hunderte von Spielern unter Vertrag, die verteilt auf verschiedene Mannschaften in unterklassigen Ligen ausgebildet werden – es aber nur selten bis ganz nach oben schaffen. Lutz aber kletterte seit 2007 geduldig und fleißig die Leiter hinauf.

Am 29. April war es dann so weit. Im Auswärtsspiel bei den St. Louis Cardinals wurde Lutz eingewechselt. Sein erster Auftritt auf der großen Bühne aber endete schnell: nach einem erfolglosen Schlagversuch wurde Lutz wieder ausgewechselt. Trotzdem „ein tolles Gefühl“, ließ Lutz nach dem Spiel wissen, „ich bin wirklich stolz“. Seitdem aber wird er von Manager Dusty Baker regelmäßig eingesetzt. Zwei Tage nach seinem Debüt stand er sogar in der Startformation, blieb aber mit dem Schläger weiter erfolglos.

Bis zum vergangenen Sonntag, da feierte Lutz beim 7:4-Erfolg bei den Chicago Cubs seine Coming-out-Party. Geradezu systematisch füllte Lutz die in den USA so wichtigen Statistikkolumnen: Er schaffte den ersten Hit eines deutschen Spielers in den Major Leagues, den ersten Run und – weil er schon mal dabei war – auch die erste Stolen Base.

Die Ankunft des Deutschen in ihrem Nationalsport macht in den USA bescheidene Schlagzeilen. Dass Dirk Nowitzki seinem Landsmann per Twitter gratulierte, war eine Meldung wert, und die Lokalpresse schätzte Lutz leidlich begeistert als „interesting player to watch“ ein. Zumindest die Website des TV-Senders Fox Sports wollte „einen Meilenstein für den Baseball“ beobachtet haben und ernannte Lutz zum Botschafter, der der Entwicklung des Sports in Deutschland neuen Schwung verschaffen soll. Eine Rolle, die Lutz gerne annimmt: „Ich hoffe, dass ich helfen kann, Baseball in Deutschland voranzubringen“, sagte er dem Reporter, „ich will ein Vorbild sein für die Kids.“

Es bleibt allerdings abzuwarten, wie lange das große Abenteuer weitergeht. Dass Lutz momentan regelmäßig aufläuft, ist vor allem einer Verletzungsmisere bei den Reds geschuldet. Wenn die Stammspieler alle wieder gesund sind, könnte Lutz wieder in eine unterklassige Liga geschickt werden.

Aber bis es so weit ist, genießt Donald Lutz, dass er gerade Historisches leistet. Falls er das überhaupt schon richtig begriffen hat. „Ich glaube, ich habe noch gar nicht realisiert, was hier gerade passiert“, sagte er nach seinem ersten Spiel. Ein Spiel, das in die Geschichte eingegangen ist.

THOMAS WINKLER