Impuls mit zweifelhafter Wirkung

Wirtschaftsforscher und Opposition kritisieren das 25 Milliarden teure Konjunkturprogramm der Koalition

BERLIN taz ■ Selten sind alle 210 Plätze der Bundespressekonferenz in Berlin mit Journalisten besetzt, die etwas über Regierungspolitik erfahren wollen. Gestern war so ein Tag – und das Interesse enorm. Damit erschien möglich, dass die große Koalition ein wesentliches Ziel ihrer Kabinettsklausur in Genshagen bereits erreicht: gute Stimmung zu verbreiten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lobte die „erfolgreiche Klausur“ und Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) assistierte mit der Beschreibung: „Es war schön in Genshagen.“ Besonders angenehm erschien dem Regierungsduo, nicht über Streitereien, sondern über das 25,2 Milliarden Euro teure „Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung“ zu berichten, mit dem ab 2006 Eltern unterstützt, Privathäuser saniert und Firmeninvestitionen gefördert werden sollen.

Wenngleich Genshagen als vergleichsweise erfolgreicher Start einer Bundesregierung in Erinnerung bleiben wird, so machten doch auch die Kritiker einige Punkte. Stellvertretend bemängelte Joachim Scheide vom Kieler Institut für Weltwirtschaft, dass die große Koalition auf der einen Seite zusätzliches Geld in Umlauf bringe, es den Bürgern auf der anderen Seite aber wieder entziehe. Das Programm werde „verpuffen“, sagte Scheide, weil die Regierung das viel zu niedrige Niveau öffentlicher Investitionen nicht ausreichend anhebe und andererseits das spendierte Geld mittels der Mehrwertsteuererhöhung ab 2007 wieder einkassiere. Matthias Berninger, wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen, sieht es ähnlich. Dem 25 Milliarden Euro teuren Impuls stünden allein in der Legislaturperiode bis 2009 rund 75 Milliarden Euro gegenüber, die die Bundesregierung mittels der Mehrwertsteuer zusätzlich einbehalte. „Das ist keine aussichtsreiche Investitionsstrategie“, sagte Berninger.

Die Klausur von Genshagen wird in die Kabinettsgeschichte eingehen als gelungene Marketing-Aktion. Die Regierung verkauft teilweise alte Ware unter neuem Etikett. So stammt das Programm zur Förderung der Wissenschaft teils noch von der rot-grünen Koalition. Damals wurde es unter dem Stichwort „Elite-Universitäten“ verhandelt, lag aber seitdem auf Eis. Weil die Bundesländer ihre Gegenwehr inzwischen eingestellt haben, können die zusätzlichen 6 Milliarden nun verteilt werden. Auch die neue Regelung zur steuerlichen Förderung der Kinderbetreuung in Kitas ersetzt nur eine alte.

Richtig bleibt aber die Ansage der großen Koalition, dass sie 25 zusätzliche Milliarden Euro über vier Jahre verteilt in die Wirtschaft pumpen will. Macht durchschnittlich 6 Milliarden Euro pro Jahr. Die Wirtschaftsverbände begrüßen das. So rechnet der Zentralverband des Deutschen Handwerks mit 55.000 zusätzlichen Stellen, weil private Handwerkerrechnungen künftig stärker von der Steuer abgesetzt werden können. Während das bislang nur für Arbeiten innerhalb der Wohnungen möglich war, gilt es in Bälde auch für draußen.HANNES KOCH