KOMMENTAR: PETRA SCHELLEN ÜBER MUEZZIN-RUFE
: Mit Urängsten muss endlich Schluss sein

Die Muezzin-Diskussion ist Platzhalter für Überfremdungs-Urängste

Natürlich kann man das alles parteipolitisch deuten: Dass ausgerechnet die SPD in Rendsburg den Muezzin-Ruf erlaubt hat, während die CDU – gleichfalls klienteltreu – skeptisch ist.

Bizarr ist nur, dass die konservativen Kräfte – die Rendsburger Anti-Muezzin-Initiative eingeschlossen – längst nicht so streng sind, wenn es um „abendländische“ Religionen geht: Mit bis zu 60 Dezibel nämlich dürfen hiesige, gleichfalls durch Lautsprecher verstärkte Kirchenglocken läuten. Peanuts sind dagegen die dem Muezzin zugestandenen 40 Dezibel.

Die Anti-Muezzin-Agitatoren blenden aus, dass das Kirchengeläut immer wieder Ärger erregt: Einige finden es zu laut, andere wittern gar „heidnisches Brauchtum“ und religiöse Bevormundung. Zynisch außerdem, dass den Christen trotz ihres Geläutes die Gläubigen davonlaufen, während hiesige Muezzine inner- und außerhalb der Migrantenszene ganz ordentlichen Zulauf haben. Ein urchristliches Trauma, vermutlich aus der Zeit der Kreuzzüge datierend. Die Muezzin-Diskussion jedenfalls, so viel steht fest, ist eher Platzhalter für Überfremdungs-Urängste.

Mit denen aber muss im angeblich so pragmatisch-aufgeklärten Technologie-Zeitalter endlich Schluss sein. In Rendsburg hat es funktioniert: Die Rechtssprechung hat sich als Vehikel von Demokratie und Toleranz erwiesen.