Mitten auf der Bühne steht ein Sarg

DONIZETTI Premiere an der Komischen Oper: Jetske Mijnssen hat „Don Pasquale“ von Gaetano Donizetti neu einstudiert und zieht dabei alles Komische ins Lächerliche

Jetske Mijnssen sagt, die Oper sei eine „schwarze Komödie“. Unter „Erotik“ versteht sie nur Ficken

Mit Jens Larsen hat die Komische Oper einen Sänger, der die Idealbesetzung des Don Pasquale wäre. Larsen ist nicht nur ein gewaltiger Bass, sondern ein Schauspieler mit enormer Bühnenpräsenz. Es wäre so einfach mit ihm: Ein alter Mann, Junggeselle, wohlhabend, starrsinnig und eitel, will nun doch noch heiraten.

Natürlich geht das schief, die Braut kriegt ein Junger, der Alte ist der Dumme, und komisch ist daran gar nichts. Komisch wird es erst, wenn man es so inszeniert, wie es Gaetano Donizetti mit seiner einfachen Musik gekonnt hat.

Fast zärtlich umspielt sie diese Figur mit herrlichen Melodien. Nicht etwa weil wir ihn mögen sollen, den Haustyrann, dem da übel mitgespielt wird von seinem Hausarzt und einer lustigen Witwe, die nur auf sein Geld aus sind. Auch der junge Liebhaber ist nicht viel besser.

Menschen sind so, weder gut noch böse, aber komisch, wenn man ihnen zuhört, wie sie sich abmühen mit ihren Koloraturen, sich in Rezitativen verhaspeln und dann doch auf die Nase fallen. Wenn wir darüber lachen, lachen wir über uns selbst, das ist das Geheimnis dieser Oper. Der alte Mann, der sich am Ende mit Würde geschlagen gibt, ist dann gar nicht mehr so dumm, sondern lässt die anderen ein bisschen dumm aussehen.

Aber Jens Larsen darf diese Riesenrolle, die ihm so sehr läge, nur singen. Mitten auf der Bühne steht ein Sarg, und wenn er hereinkommt, muss er sich mit einem Rollator mit Infusionsgalgen herumplagen, der natürlich umfällt und seinen ganzen Auftritt versaut. Schon die Vorstellung, dass dieser gichtige, am Tropf hängende Kranke eine Frau sucht, ist peinlich und lächerlich. Jetske Mijnssen hat es so gewollt.

Sie sagt, dieses Stück sei eine „schwarze Komödie“. Aber schwarz ist nur der Sarg. Alles andere ist knallbunt, Luftballons, Klamotten, Schuhe: Wahrscheinlich soll das lustig anzusehen sein, aber niemand lacht – mit einer Ausnahme: Larsen, der Sargbewohner, muss einmal über einen Haufen von Stühlen fallen, aus denen er sich nur noch mit fremder Hilfe befreien kann.

Umso bitterer stößt danach die Plattheit der übrigen Einfälle auf. Ernesto zum Beispiel, der Liebhaber, fein, aber etwas zu zaghaft gesungen von dem jungen Tenor Adrian Strooper, muss unbedingt ein brillentragender Streber im gelben Pullöverchen sein. Der Dirigent Mauricio Barbacini, sagt Mijnssen, habe im großen Duett von Norina, der lustigen Witwe, und Malatesta, dem Arzt, eine „unglaubliche Erotik“ entdeckt, die leider noch nie inszeniert worden sei. Barbacini mag vollkommen recht haben, aber er hätte seine Einsicht für sich behalten sollen.

Jetske Mijnssen versteht unter „Erotik“ nur Ficken. So aber gewinnt der sonst so sinnlos herumstehende Sarg doch noch eine dramatische Funktion. Kaum haben sich Norina und Malatesta auf ihren Plan geeinigt, gehen sie sich an die Wäsche und kriechen unter den Sarg, der sogleich anfängt zu wackeln. Ist das nicht lustig. Danach ist die gute Norina so aufgedreht, dass sie an keinem Mann vorbeigehen kann, ohne sofort ihren Schoß an ihm zu reiben und das Bein zu heben. Christiane Karg macht tapfer alles mit, was die Regisseurin ihr da zugemutet hat, und singt mit ihrer klaren, kräftigen Stimme Donizettis so ganz anders gestimmte Arien, die eine selbstbewusste, nüchterne, aber lebenslustige Frau zeigen, die ganz sicher Besseres zu tun hat, als immer nur an das eine zu denken. Schade, dass sie das so wenig spielen darf wie Jens Larsen das Seine. NIKLAUS HABLÜTZEL

■ Nächste Aufführungen: 5., 20., 27. Februar