Der Kunde im Verkäufer

Ladenöffnungszeiten von 0 bis 24 Uhr lehnen die Gewerkschaften ab. Doch sie stehen damit vor einem Problem: Auch Arbeitnehmer sind bloß Konsumenten und brauchen flexible Lösungen

von Eiken Bruhn

Schnell noch auf dem Rückweg vom Kino ein paar Salatblätter für das kalorienbewusste Frühstück besorgen und neue Windeln. Keine Hetzereien mehr von der Arbeit zum Supermarkt und für Abendveranstaltungen ist es dann schon zu spät. Wunderbar flexible Einkaufswelt, angepasst an das „Arbeits- und Freizeitverhalten der Menschen“, das doch so ganz anders ist als „in der Entstehungszeit des Ladenschlussgesetzes 1956“, wie es der Bremer Kultur- und Wirtschaftssenator Jörg Kastendiek gerade so treffend analysiert hat. Ihm reicht die erst vor kurzem erlaubte Öffnung bis 20 Uhr nicht aus, Kastendiek will wie seine CDU-Kollegen in den anderen Bundesländern die „so genannte 6x24-Regelung“, wonach die Geschäfte ihre Öffnungszeiten selbst festlegen können. Noch in diesem Jahr könnte das Realität werden, wenn wie geplant mit der Förderalismusreform die Ladenöffnungszeiten nicht mehr Sache des Bundes, sondern der Länder sein werden.

Lediglich an Sonn- und Feiertagen will der Gesetzgeber noch mitbestimmen. Niedersachsen und Hamburg gehören zu den Ländern, die ganz vorne mit dabei sein wollen beim Shoppen-rund-um-die-Uhr, in Schleswig-Holstein hat die SPD signalisiert, sich nicht gegen den Wunsch des Koalitionspartners CDU zu stemmen und auch die Bremer Sozialdemokraten werden wohl klein beigeben müssen, wenn es in Niedersachsen so weit ist.

Die Gewerkschaften sind selbstverständlich dagegen. Sie befürchten zum einen, dass den Verkäuferinnen – zwei Drittel der Beschäftigten im Einzelhandel sind Frauen – noch mehr Freizeit gestohlen wird und zum anderen, dass um die Personal-Engpässe zu schließen, prekär Beschäftigte eingestellt werden. Aus familienpolitischer Sicht gibt es noch eine weitere Kritik, sagt Karin Schwendler von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di Niedersachsen-Bremen. „Wer die 24-Stunden-Regelung fordert, muss auch dafür sorgen, dass es eine entsprechende Kinderbetreuung gibt.“

So weit, so einfach die Position. Doch Gewerkschafter und Co. haben mit dem Thema ein Problem, wie Margareta Steinrücke von der Bremer Arbeitnehmerkammer einräumt. „Es gibt einen Interessenkonflikt“, sagt Steinrücke, Fachfrau für Gleichberechtigung. Arbeitnehmer sind nämlich auch nur Menschen. Und die wollen shoppen, wann es ihnen passt, flexibel Arbeit und Freizeit gestalten. „Solange die Betroffenen selbst entscheiden können, wann sie arbeiten, könnten verlängerte Öffnungszeiten von Vorteil sein“, sagt Steinrücke.

Auch Ulrich Mückenberger, Leiter der Forschungsstelle Zeitpolitik an der Universität Hamburg, sieht einen Interessenkonflikt. Mit Klassenzugehörigkeit – viel beschäftigte Managerin mit ausreichend Bargeld für Kinderbetreuung gegen unterbezahlte Friseuse – habe das allerdings nichts zu tun, sagt Mückenberger, der bei der Lockerung des Gesetzes vor drei Jahren als Sachverständiger im Bundestag gehört worden war. „Die Krankenschwester oder Fabrikarbeiterin will möglicherweise dasselbe wie die Managerin.“

Statt einer generellen Öffnung – die vor allem den großen Ketten zugute kommen würde, weil die über genügend Personal verfügen – fordert er „lokale Zeitpakte“. Quartiersweise sollten AnbieterInnen und NutzerInnen von Dienstleistungen sich in Mediationsverfahren darüber verständigen, welche Öffnungszeiten sie brauchen. Das sei bereits in kleinem Rahmen, beispielsweise in einem Bremer Bürgerservice-Center, erprobt worden. „Dabei stellt sich dann oft heraus, dass viele gar nicht unbedingt längere Öffnungszeiten wollen, sondern verlässliche und aufeinander abgestimmte.“ Dafür müssten dann aber auch die Konzernleitungen gewonnen werden, die ihren Filialen keine eigenständigen Entscheidungen zugestehen.