soundtrack

Zumindest die Musikszene dieser Stadt wird der Senat kaum verscherbeln können. Obwohl eine Prüfung dieses Standortfaktors in der aktuellen Woche wieder viel versprechend ausfällt: Das Quintett Capri Di Rote bezeichnet die Welt als „Diskursmischer und Bilderstürmer“. So kann man den Spaß auch beschreiben, den die vielleicht coolste Band Hamburgs in der Langen Jazznacht im Fundbureau veranstalten wird. Die Generation Swing wird‘s aber wohl nicht lustig finden. Auch ein Kompliment! Etwas handfester spielen am selben Abend in St. Paulis Tanzhalle The Mighty Three aka Mardi Gras bb mini auf. Jetzt, wo New Orleans wohl demnächst als Jurassic Park des Jazz auferstehen wird, hat sich auch die süddeutsche Brass Band reduziert auf Bass, Schlagzeug und Doc Wenzel mit Gitarre. Dass die Stimme des Doc längst so kaputt wie Tom Waits daherkommt, hindert das Mini-Trio nicht am infernalischen Blues-Getöse. Da perlt der Whisky wie lecker Bier. Wenn sich allerdings eine Kölner Band einen spanischen Namen gibt, ist Vorsicht geboten. Doch die Chupacabras (Übersetzung: Ziegenlutscher) mischen nicht nur fleißig Cumbia, Samba und Flamenco mit HipHop/Dancehall/Reggae, zum Glück kommen die Bandmembers voll Mestizo-mäßig aus Mexiko, Peru, Spanien, Griechenland und nur zum Teil aus Deutschland. Der Chupacabras ist übrigens ein lateinamerikanisches Fabelwesen, das Nutztierherden plündert, ihr Schelme! Anschließend legen noch DJ Klandestino aus Barcelona und das la kumbancha soundsystem auf. Das kann spät werden im Hafenklang. Am Sonntagnachmittag machen wir deshalb was ganz Verrücktes. Rein in die S- Bahn und ab nach Harburg. Denn da hat im Bahnhof ein neuer Jazzclub aufgemacht: das Stellwerk. Dort spielt Mischa Schumann zu Kaffee und Kuchen auf dem Flügel zugunsten der Finanzierung desselben. Den hörenswerten Schumann hier noch vorzustellen, sparen wir uns lieber. Solo in cooler Location gibt‘s ihn andererseits aber auch nicht ständig zu hören. Ebenso ungewöhnlich ist die Besetzung Stimme/Tuba/Cello, in der das Trio Rouge in der Fabrik ihre „Chants and Canzones for Liberty“ vortragen werden. Tubist Michel Godard ist wie Cellist Vincent Courtois in Jazzproduktionen genauso gefragt wie bei so genannten „Weltmusik“-Projekten von Rabih-Abou Khalil bis Louis Sclavis. Die beiden Franzosen haben sich mit Lucilla Galeazzi jetzt Lieder aus deren Heimat Italien vorgenommen. Von zärtlichen Liebesliedern bis zu Widerstandsversen aus dem Ersten Weltkrieg reicht das Repertoire, denn die Sängerin ist überzeugt: „Nichts ist zeitgenössischer als die traditionelle Musik des Volkes.“ Interessanter geht‘s nimmer. Schon, weil diese Kolumne nur für eine Woche in die Zukunft schaut. Und wenn nächsten Donnerstag nicht schon wieder ein neuer „soundtrack“ käme, könnte man noch Monsieur Dubois aus Holland empfehlen. Die spielen nach Selbstauskunft „Danceable Hardjazz“, konkret klingt das wie Hancock/Shorter/Hubbard auf Acidjazz und das ist ebenfalls als dickes Lob zu verstehen. Tobias Richtsteig

Lange Jazznacht, Do.12.1., 21.30 Uhr, Fundbureau The Mighty Three, Do.13.1.,21.30 Uhr, Tanzhalle St. Pauli Chupacabras, Fr.13.1., 21.30 Uhr, Hafenklang Mischa Schumann, So. 15.1., 15 Uhr, Stellwerk Harburg Trio Rouge, Di. 17.1., 21 Uhr, Fabrik Monsieur Dubois, Do.19.1., 21 Uhr, Stellwerk Harburg