Frisch aus der „Musikanten“-Box

Das letzte Weltspiel: „De/Construction of Monuments“ in der Grass-Stiftung. Ein Panoptikum der Wünsche

Wünsche von der Wade des Esels: Ein Klo, orientalische Klänge, ein Denkmal für Arbeitsimmigranten

Jeder fünfte Bremer stammt ursprünglich nicht aus Deutschland. Ihre Wahrnehmung des hiesigen öffentlichen Raums, speziell der Denkmäler, ist das Thema des Projektes „De/Construction of Monuments“, das morgen seinen Abschluss mit einer szenischen Lesung in den Räumen der Günter Grass Stiftung in der Stadtwaage findet. Zugleich endet damit das letzte Projekt des Bremer Weltspiels, das Teil der Bremer Kulturhauptstadtbewerbung war.

Jetzt also werden die Wünsche verlesen, die zuvor zwei Monate lang in einer Plexiglasbox gesammelt wurden, die neben Bremens bekanntestem Denkmal stand: Den „Stadtmusikanten“ – der Griff an die Wade des Esels macht bekanntlich Wünsche wahr. Da während dieser Zeit der Weihnachtsmarkt tobte, hat sich in der Box – neben den üblichen Touristen-Beschwerden, die „Musikanten“ stünden zu versteckt – auch allerlei Glühweinseliges gesammelt. Ein Kanadier wünscht stante pede ein essbares Lebkuchenhaus herbei, ein anderer schlichtweg eine Toilette. Aber wenn man Derartiges aus den rund 1.000 Einwürfen aussortiere, sagt Initiatorin Mirjam Steger, blieben immer noch eine Menge „originärer“ Migrantenwünsche übrig. Zum Beispiel die Forderung, endlich ein Denkmal für die Arbeitsimmigranten der ersten Generation zu errichten. Oder, mehr orientalische Musik im öffentlichen Raum zu hören – möglicherweise eine neue Aufgabe für den verwaisten Klangbogen zwischen Hauptbahnhof und Klangbogen. Andere betonen die Notwendigkeit eines „Sockels“, also eines frei zugänglichen Speakers Corner, um sich individuell öffentliches Gehör verschaffen zu können.

Derzeit wird zu diesem Zweck das ehrwürdige Hanse-Kreuz auf dem Marktplatz genutzt, auf dem ein ebenso unermüdlicher wie apokalyptischer Mann das nahe Ende des verderbten Systems verkündet. Der junge, stets in Leder gekleidete Russe machte sich mit seinen Predigten bereits im November unfreiwillig zu einem Teil der Klangcollage, mit der „De/Construction of Monuments“ eröffnet worden war: Die „sprechenden Arkaden“ vor dem Rathaus: Sie zitieren zahlreiche aus dem Ausland Zugezogene zum Thema öffentlicher Raum. Die Radio Bremen-Journalistin Mirjam Steger, selbst Slowakin, hatte sie nach einem Stadtrundgang zu ihren Wahrnehmungen befragt. Eine Bulgarin bemerkt, dass in ihrem Land nach der Wende wesentlich ideologiekritischer mit der vorhandenen Denkmalsubstanz umgegangen worden sei als in Deutschland, eine Kanadierin beklagt das weitgehende Fehlen von Denkmälern für Frauen. Und dass weibliche Bremer ausgerechnet mit einem Spuckstein „gewürdigt“ würden, ergänzt ein Muslim in der Klangcollage, könne ja wohl auch nicht sein.

Teile dieses Arkaden-Werks sind Freitag ein letztes Mal zu hören, gemischt mit den aktuellen Denkmalwünschen aus der „Musikanten“-Box. Laut Steger ein dadaistisch angehauchtes Gesamtkunstwerk. HB

Szenische Lesung am Freitag, 17 Uhr, Günter Grass Stiftung, Stadtwaage (Langenstraße 13)