Berliner manifest
: Für ein Europa der Regionen Vielfalt

Unser Land, unsere Zukunft, unser Europa

Die Regionen in Europa haben das Recht selbst zu bestimmen, wie sie ihre Landwirtschaft betreiben, was sie essen, wie sie Nahrungsmittel produzieren und handeln, und wie sie ihre Umwelt und Landschaft, ihre Kultur und ihr Erbe, ihr Saatgut, ihre ländliche Entwicklung, ihre wirtschaftliche Zukunft schützen. Sie haben das Recht, über den Einsatz von gentechnisch veränderten Pflanzen und Tieren in ihrer Landwirtschaft und in ihrem Ökosystem zu entscheiden.

Unsere Wahl

Wir teilen alle das Menschenrecht, zu entscheiden, was wir essen. Der Einsatz von vermehrungsfähigem Material in einer gemeinsamen Umwelt kann nicht individuell bestimmt werden, weil er immer auch andere betrifft. Entscheidungen über den Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen (GVOs) und die Gestaltung unserer Landschaft müssen in den Regionen demokratisch getroffen werden und dürfen ihnen nicht von einzelnen Landwirten, Bürokraten und Unternehmen aufgezwungen werden. Diese Entscheidungen können sich als falsch erweisen und müssen deshalb reversibel bleiben.

Unser Saatgut

Die lokale Vielfalt an Saatgut und traditionellen Sorten und deren wilden Verwandten ist die Grundlage der Einzigartigkeit einer Region und ist ihr einzigartiges Erbe. Sie bildet die Grundlage für weitere Innovationen und die Fortentwicklung des Saatguts. Es ist die Pflicht und das Recht regionaler Agrarpolitik sind, lokale Sorten zu schützen, ihre Konservierung und Züchtung zu fördern, und die Integrität des bäuerlichen Saatguts zu gewährleisten. Für die Verunreinigung konventioneller, ökologischer und traditioneller Sorten mit GVO kann es keine Schwellenwerte geben, da Saatgut sich selbst vermehrt.

Unsere Agrarvielfalt

Die Agrar-Kultur ist ein wichtiger Bestandteil unserer regionalen Lebensweise. Beim Einsatz von Agrar-Technologien wie der Gentechnik müssen die sozio-ökonomischen und kulturellen Auswirkungen berücksichtigt werden. Die Mehrheit der Regionen Europas hat die Förderung der nachhaltigen und ökologischen Landwirtschaft und regionale Vermarktung als Prioritäten ihrer ländlichen Entwicklung gesetzt. Wo das Recht auf gentechnikfreie Landwirtschaft nicht gewährleistet werden kann, muß der Einsatz von GVOs unterbleiben.

Unsere natürliche Biodiversität

Die Europäische Umwelt, die Landschaften Europas und ihre Naturschutzgebiete, sind das Produkt Jahrtausende langer menschlicher Kultur. Den riesigen Reichtum an unterschiedlichen Landschaften, Ökosystemen und Arten müssen diejenigen schützen, die dieses gemeinsame Erbe teilen. Der Schutz unserer natürlichen Biodiversität vor der Auskreuzung gentechnisch veränderter Sorten ist deshalb ein Ziel an sich.

Unsere Sicherheit und Vorsorge

Die Wissenschaft kann sich irren. GVOs aber können nicht problemlos zurückgerufen werden, falls schädliche Wirkungen auftreten. Die Regionen haben deshalb das Recht, beim Einsatz von GVOs nach dem Vorsichtsprinzip zu handeln.

Unsere Ernährungs-Souveränität

Die Mehrheit der Europäer wollen keine gentechnischen Nahrungsmittel. Diesem Umstand Rechnung zu tragen, ist Bestandteil regionaler Ernährungs-Souveränität und ein wichtiger ökonomischen Faktor. Regionale Behörden müssen Qualitätsmarken, Reinheitsstandards, Bio-Produkte und die Herkunftszeichen auf wirtschaftliche und wettbewerbsfähige Weise schützen können. Dazu gehört auch der Zugang zu gentechnikfreien Futtermitteln.

Unsere Koexistenz

In den meisten Fällen und für die meisten Pflanzenarten gibt es keine realistische Chance für eine Koexistenz von gentechnischem und gentechnikfreiem Anbau, so wie es keine Koexistenz zwischen Stille und Lärm in ein und demselben Raum gibt. Die Standards für Koexistenz, einschließlich ihrer Kosten, müssen lokal und regional ermittelt und entschieden werden. Sie müssen eine faire und nachhaltige Koexistenz zwischen Nachbarn und Wirtschaftspartnern gewährleisten.

Unser Europa

Die Vielfalt der Regionen gibt Europa seine Identität. In einer globalen Ökonomie benötigen wir gemeinsame europäische Standards für die Lebensmittelsicherheit, Transparenz, Umwelt- und Naturschutz und Marktzugang. Diese Standards müssen so beschaffen sein, dass sie die lokale und regionale Selbstbestimmung der Europäer fördern statt sie zu beinträchtigen. Wir werden diese Rechte und Pflichten, die Schönheit und den Genuß unserer Regionen verteidigen.

Verabschiedet von 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus 31 Ländern bei der ersten Konferenz gentechnikfreie Regionen in Berlin, 23. Januar 2005

www.gmo-free-regions.org