Polnische Pioniere
: Visionen für die Landwirtschaft

Alleine der Anblick des Hofes zeigt: Hier werkeln keine Träumer, sondern Visionäre, die etwas von ihrem Geschäft verstehen. Das Holzhaus mit Gründach, Schilfdämmung, eigener Stromversorgung und geschlossenem Wasserkreislauf hat die Größe eines Herrensitzes. Die zugehörigen Ländereien zeigen, dass Wachstum und nachhaltiges Wirtschaften keine Gegensätze sein müssen. Willkommen in Skórzyn, willkommen in der Zukunft der polnischen Landwirtschaft.

Den Hof und das angegliederte Institut für angewandte Ökologie (Instytut Ekologii Stosowanej) haben Wojtek und Beata Halicki aufgebaut, unweit des kleinen Städtchen Krosno Odrzan‘skie, keine 50 Kilometer von der deutschen Grenze gelegen. Auch sonst sind der 39-jährige Umweltingenieur und die 33-jährige Germanistin Deutschland verbunden. Beide haben viele Jahre an der Hochschule Vechta wissenschaftlich gearbeitet, dort ist auch eines ihrer beiden Kinder geboren. Wojtek hat zudem in Deutschland habilitiert. Nach einem Zwischenstopp als Dozenten an der Universität von Zielona Góra gründeten beide 2002 das Institut in Skórzyn. „Die Herausforderung auf dem Land“, sagt Wojtek, „war mir wichtiger als die berufliche Sicherheit an der Uni.“

Das Institut für angewandte Ökologie ist eine private Forschungseinrichtung, die sich mit Gewässer-, Forst- und Agrarökologie beschäftigt. Die Hauptidee ist, die Theorie von nachhaltiger Regionalentwicklung und landwirtschaftlicher Praxis unter einen Hut zu bringen. „In Polen setzen immer mehr Bauern auf industrielle Landwirtschaft und EU-Beihilfen“, sagt Wojtek. „Es gibt noch viele kleine Höfe, die davon leben, ihre Milch oder ihr Getreide bei der Genossenschaft zu verkaufen – dabei erzielen sie aber immer niedrigere Preise.“ Wojtek, Beata und ihre sechs Mitarbeiter wollen dagegen einen dritten Weg gehen, wollen zeigen, dass sich Ökoanbau und Streuobstwiesen rentieren.

Auf einem Rundgang über die 270 Hektar großen Felder, Wiesen und Wälder des Instituts finden sich zum Beispiel Obstbäume, die nach einem Jahr auf resistente Stämme aufgepfropft werden, oder Gemüseplantagen, in denen verschiedene Sorten auf Böden unterschiedlicher Qualität gezogen werden. Wojtek versucht alte Sorten anzubauen, um die genetische Vielfalt zu erhalten. Von genetisch manipuliertem Saatgut hält er nichts – wie die meisten polnischen Bauern.

Die Suche nach neuen Wegen macht sich inzwischen bezahlt. Die Technologie der Biokläranlage, die Wojtek auf dem Hof in Skórzyn erprobt hat, wurde bereits an über 1.000 polnische Bauernhöfe und zahlreiche Gemeinden verkauft.

Manchmal aber schlägt ihnen die Natur doch ein Schnippchen, erzählt Beata, nämlich „wenn wir am Rechner sitzen und unsere Solaranlage und das Windrad nicht mehr genügend Strom liefern“. In einem ist sie sich aber sicher. „Für das Länderspiel Polen - Deutschland bei der WM wird der Strom reichen.“ UWE RADA

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