Spagat bei Bush

Angela Merkel will sich bei Bush für den Bremer Guantánamo-Gefangenen Kurnaz einsetzen

BERLIN ap ■ Bundeskanzlerin Angela Merkel will sich bei US-Präsident George W. Bush offenbar auch für einen Guantánamo-Häftling einsetzen. Der Anwalt des in Bremen aufgewachsenen Türken Murad Kurnaz, Bernhard Docke, sagte am Mittwoch, Merkel habe ihm einen entsprechenden Brief geschrieben. Gleichzeitig will sie nach Regierungsangaben die Bereitschaft zu mehr Hilfe für den Irak bekräftigen.

Docke sagte im Deutschlandfunk, die rot-grüne Bundesregierung sei in der Sache nicht aktiv geworden. Merkel habe ihm jedoch mitgeteilt, sie wolle sich aus humanitären Gründen für Kurnaz verwenden, der keinen deutschen Pass habe und seit vier Jahren in dem Lager für feindliche Kämpfer festgehalten werde. In der Angelegenheit gebe es seit dem Regierungswechsel „viel Bewegung“.

Erleichtert worden sei die Sache auch durch eine US-Bundesrichterin, die festgestellt habe, dass Kurnaz keine Terrorvorwürfe gemacht werden könnten und „dass sie selber nicht versteht, warum er überhaupt in Guantánamo sitzt“. Den Brief an Merkel habe er geschrieben, als die CIA-Flüge mit angeblichen Gefangenentransporten in die Schlagzeilen geraten waren.

Die Mutter des Inhaftierten, die in Bremen lebende Rabyie Kurnaz, sagte, sie erwarte von Merkel „wirklich eine schöne, gute Nachricht“. Ihr Sohn sei in eine Zwickmühle geraten, weil deutsche Behörden bisher darauf verwiesen hätten, sie könnten für einen Türken nichts tun. Behörden der Türkei seien ebenfalls untätig geblieben. Sie hätten gesagt: „Er ist in Deutschland geboren.“

FDP-Chef Guido Westerwelle forderte in der Frankfurter Rundschau eine förmliche Entschuldigung der USA für die Entführung al-Masris. Sein Parteikollege Werner Hoyer sagte, Merkel müsse „den Spagat“ schaffen, die Entführung al-Masris und die CIA-Gefangenenflüge anzusprechen und gleichzeitig die Irritationen zwischen Deutschland und den USA ausräumen.

Der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg sagte, die von der Vorgängerregierung angebotenen Hilfen für den Irak blieben auf dem Tisch. Dazu gehöre auch die Polizistenausbildung, von der der Irak allerdings seit fast einem Jahr keinen Gebrauch mehr macht. 450 Polizisten wurden bisher vom Bundeskriminalamt ausgebildet. Angebliche Klagen des Irak über die Ausbildungsqualität wurden offiziell nie bestätigt.

Das Entwicklungsministerium teilte mit, dass Deutschland für den Wiederaufbau 8,2 Millionen Euro zur Verfügung stelle. Zu den Projekten gehöre der Wiederaufbau und die Ausstattung von Berufsschulen. Merkel will heute in die Vereinigten Staaten reisen und am Freitag Bush treffen.

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