Syngentas verbotener Mais

Vier Jahre vertrieb die Firma einen ungenehmigten Gentechmais – ohne es zu merken. Als sie es feststellte, hielt sie den Skandal vor den europäischen Behörden zunächst weiter geheim

Die Frage liegt nahe, wie viele Genpflanzen bereits illegal in Umlauf kamen?

Vier Jahre lang wurde in Nordamerika eine nicht zugelassene, gentechnisch veränderte Maissorte angebaut und weltweit vertrieben – ohne dass es jemand bemerkte. Den Behörden war diese, von dem Biotech-Konzern Syngenta entwickelte insektenresistente Maislinie mit der Bezeichnung „Bt 10“ unbekannt. Nicht einmal der Hersteller Syngenta selbst hatte Kenntnis davon, dass Bt 10-Saatgut in den Handel gekommen war.

Der Grund war ein Fehler im Labor: Mit dem damals üblichen DNA-Kontrolltest zur Identifizierung der Maislinien konnte man nicht zwischen Bt10 und Bt11 unterscheiden. Während Bt11 in den USA sowie einigen weiteren Staaten offiziell angebaut oder importiert werden durfte, gab es für Bt10 in keinem Land eine Zulassung. Unter dem Label Bt11 kam diese nicht zugelassene Maisvariante Bt10 unbemerkt in den weltweiten Handel. Erst nachdem die Europäische Kommission einen Nachweis für alle Maisimporte verlangte, dass sie kein Bt10 enthalten, entwickelte Syngenta eine spezifische Nachweismethode für den verbotenen Mais.

Bt10 -Mais war ursprünglich nicht für den kommerziellen Anbau oder die Verwendung in Nahrungsmitteln vorgesehen, da er unter anderen auch ein Gen für eine Resistenz gegen das Antibiotikum Ampicillin enthält. Ampicillin gehört in Mitteleuropa mit zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten zur Behandlung von bakteriellen Infektionen. Würde das Resistenzgen aus der Maispflanze auf ein Bakterium übertragen, zum Beispiel im Darm von Mensch oder Tier, bestünde die Gefahr, dass das Ampicillin nicht mehr gegen diese Mikroorganismen wirksam ist. Von Syngentas Firmenzentrale und den US-Behörden wurde dieses Risiko stets heruntergespielt. Doch in Europa wollte man sicher gehen.

Obwohl die US-Behörden schon im Dezember 2004 über die Bt10-Panne von Syngenta informiert wurden und obwohl bekannt war, dass die Einfuhr von Bt10 in vielen Staaten verboten ist, gaben die US-Behörden ihre Kenntnisse erst drei Monate später weiter. Ein weiterer Monat verstrich, bis Syngenta schließlich einen passenden DNA-Test vorlegte, der jedoch erst einmal nur einem einzigen unabhängigen Labor zur Verfügung gestellt wurde.

Durch diese Verzögerungen konnten wahrscheinlich tausende Tonnen von kontaminiertem Mais unerkannt in alle Welt geliefert werden, ohne dass irgendwer hätte zur Rechenschaft gezogen werden können. Als Syngentas Bt10-Test schließlich zur Verfügung stand, wurden zwischen April und August 2005 allein in Japan elf mit diesem Mais verunreinigte Schiffsladungen aufgespürt. In den USA musste Syngenta zwar ein Bußgeld in Höhe von 375.000 US-Dollar zahlen – von weiteren rechtlichen Schritten blieb es aber verschont.

Zurzeit werden in zahlreichen Gentech-Laboren noch weitaus bedenklichere Pflanzen entwickelt, die auf ähnlichen Irrwegen in unsere Nahrungsmittel gelangen könnten. Längst schon testen Biotech-Unternehmen genveränderte Pflanzen, die Wirkstoffe für Medikamente oder Substanzen für die chemische Industrie liefern sollen, auf offenen Feldern in Europa und Nordamerika. Auch dabei ist es bereits zu Pannen gekommen. So wurde zum Beispiel Mais, der zur Herstellung von Impfstoffen für Tiere genutzt werden sollte, als Verunreinigung in Soja entdeckt. Die Sojabohnen sollten für Lebensmittel verarbeitet werden.

Ausgelöst wurde der ganze Bt10-Skandal letztendlich durch eine Verwechslung im Labor. Gekennzeichnet als Bt11-Mais konnte der nicht zugelassene Bt10-Mais in den Handel gelangen. Bedenklich ist dabei vor allem, dass diese Verwechslung vier Jahre lang unbemerkt blieb. Die Frage liegt nahe, wie viele andere Genpflanzen bereits illegal in Umlauf kamen – und möglicherweise nur nicht erkannt wurden, weil keine passenden Tests zur Verfügung stehen. Den Aufsichtsbehörden stehen Nachweismethoden lediglich für Organismen zur Verfügung, die ein Genehmigungsverfahren durchlaufen haben. Viele der Organismen, mit denen die Forscher experimentieren, bleiben jedoch der Öffentlichkeit unbekannt – „Betriebsgeheimnis“.

Die bislang folgenschwerste illegale Gentech-Kontamination ereignete sich in den Jahren 2000 und 2001. Damals war eine unter dem Namen „Starlink“ entwickelte Gen-Maissorte in Umlauf gebracht worden, von der nicht auszuschließen war, dass sie Allergien auslösen kann. Dem Hersteller von Starlink verursachte diese „Unachtsamkeit“ Kosten von schätzungsweise 1 Milliarde US-Dollar. Verunreinigungen mit Starlink bereiten den US-Aufsichtsbehörden selbst heute noch Probleme.

Verwechslungen in US-Laboren führten auch dazu, dass Gentech-Tomatensamen als angeblich „gentechfreies Saatgut“ in alle Welt verschickt und dass Fleisch von genmanipulierten Schweinen als Nahrungsmittel verkauft wurden. Die Frage drängt sich auf, ob es jemals gelingen wird, einen sichereren Umgang mit Gentech-Pflanzen zu garantieren. SUE MAYER

www.gmcontaminationregister.org