„Das kann ich Berlin nur empfehlen“

ENERGIE III Die Energiewende braucht eine starke Kommune und Bürgerbeteiligung, sagt Stuttgarts früherer Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU). Seine Stadt kooperiert mit den Stromrebellen aus Schönau

63, war von 1997 bis 2013 Oberbürgermeister von Stuttgart. Nachfolger des CDU-Politikers ist seit Januar der Grüne Fritz Kuhn.

taz: Herr Schuster, in Berlin gibt es ein Volksbegehren für einen starken kommunalen Bewerber um das Stromnetz und grüne Stadtwerke. Beides gibt es in Stuttgart schon. Warum?

Wolfgang Schuster: Weil es wichtig ist, die Energiewende als Stadt aktiv mitzugestalten. Das schaffen wir nur, indem wir Instrumente wie Stadtwerke schaffen, die diese Energiewende mit den Bürgern gemeinsam angehen.

Aber warum sollte eine Kommune ihr Stromnetz unbedingt selbst betreiben?

Die Netze werden sich stark verändern, dezentrale Strukturen eine sehr viel größere Rolle spielen. Es gibt technologische Entwicklungen, von denen hätten wir vor zehn Jahren nicht einmal zu träumen gewagt. Deshalb müssen wir eine politische Neubewertung vornehmen, die Bürger mit ins Boot holen und offensiv die Rekommunalisierung der Stromversorgung angehen.

Wie in Berlin läuft das Konzessionsverfahren in Stuttgart noch. Als es um die Ausgestaltung der Kriterien ging, nach denen die Stadt die Netzkonzession vergibt, haben Sie früh Bürger beteiligt.

Ja, bei einer so bedeutenden Frage wollten wir möglichst viel Beteiligung und Transparenz. Es gab hier eine ganze Reihe von Bürgern, die sehr konstruktive kritische Fragen gestellt und zu Recht auf deren Beantwortung bestanden haben. Ich glaube, die entsprechenden Bürgerveranstaltungen haben sehr geholfen, die Idee von mehr kommunaler Verantwortung für die Energiewende noch stärker in der Bürgerschaft zu verankern. Ich kann das Berlin nur empfehlen.

Aber so ein Vergabeverfahren ist sehr stark durch das Bundeskartellamt reglementiert, die Grenzen für Mitgestaltung und Transparenz sind sehr eng.

Das stimmt, aber das kann man ja auch so kommunizieren. Wir durften natürlich nicht die Angebote der einzelnen Bewerber präsentieren, die sind vertraulich. Aber wir haben alle Bewerber eingeladen, sich und ihre Konzepte selbst vorzustellen, somit war es die Entscheidung jedes Energieunternehmens, wie stark es die Öffentlichkeit einbezieht.

Sie haben 2011 auch Stadtwerke gegründet, die nun Ökostrom vertreiben. Gab es in Stuttgart zu wenige Stromanbieter?

Nein, aber im Gegensatz zu den vielen Anbietern, die Sie im Internet finden, vereinen die Stadtwerke die Erzeugung regenerativer Energie mit Bürgerbeteiligung finanzieller Art: Wir haben uns mit einer Bürgergenossenschaft zusammengetan.

Mit den Elektrizitätswerken Schönau – entstanden aus der Antiatombewegung.

Wir wollten einen Partner, der glaubwürdig für nachhaltig erzeugten Strom steht. Das ist eben etwas, was große Energieunternehmen wie EnBW in dieser Form nicht anbieten können.

Beziehen Sie denn Ihren Strom schon von den Stadtwerken?

Am Anfang sind ganz viele Kunden zu den Stadtwerken gewechselt. Ich habe gewartet, bis der erste Hype vorbei ist, und werde demnächst Kunde, um für einen zweiten Hype zu werben.

INTERVIEW: SEBASTIAN PUSCHNER