„Wir brauchen Prenzlauer Berge“

Städte müssen Investoren auch mal die rote Karte zeigen, sagt Düsseldorfs Regierungspräsident Jürgen Büssow

taz: Die BürgerInnen lieben offenbar Zentren auf der grünen Wiese. Warum sollten die Innenstädte überhaupt erhalten bleiben?

Jürgen Büssow: Aus leeren Städten ziehen die Menschen weg! Wir brauchen Einkaufsläden, Restaurants, Kinos, damit die Zentren wieder aufleben und nicht reine Bürohallen sind. Außerdem kann sich nicht jeder leisten, auf die grüne Wiese zu fahren: Alte Menschen, junge Familien brauchen auch ihren Bäcker vor der Haustür.

Die Städte sehen das offensichtlich anders. Oberhausen zum Beispiel liegt so mit Ihnen im Clinch, dass jetzt das Leipziger Bundesverwaltungsgericht entscheiden wird.

Ja, da hat es richtig gekracht. Aber die Städte müssen verstehen, dass nur gemeinsame Entscheidungen die Städte retten können – es gibt auch hier weniger zu verteilen. Die Kaufkraft sinkt, es gibt mehr Arbeitslose, die Menschen werden älter. In Gelsenkirchen oder Duisburg ist in einigen Stadtteilen nichts mehr los. Wir wollen doch keine Städte die aussehen wie im Film Dogville!

Warum klagen sie denn ausgerechnet gegen die Erweiterung des Centro? Es gibt kaum eine Kommune, die nicht neue Malls bauen will.

Ja, aber sie haben eine Berechtigung dazu: Duisburg zum Beispiel hat seit dem Centro eine viertel Millionen Euro Kaufkraft an Oberhausen verloren. Dabei ist Duisburg die viel größere Stadt!

Wenn das alles so eindeutig ist: Warum verteidigen die Städte mit Händen und Füßen ihre Pläne?

Weil sie mit dem Rücken an der Wand stehen. Sie sind pleite und erhoffen sich davon zusätzliche Einnahmen. Oberhausen zum Beispiel wollte den anderen Städten einfach zuvor kommen: Bevor diese ihre neuen Zentren einweihen, will die Stadt selbst schon eine Marke setzen.

Wie sollen sich die Städte einigen, ohne jedes Mal vor Gericht zu landen?

Die regionalen Einzelhandelskonzepte sind an sich eine gute Sache: Bei größeren Projekten einer Stadt sollen alle Nachbarkommunen mit entscheiden können. Das Problem bisher ist nur, dass die Befolgung freiwillig ist. Ich plädiere dafür, diese Abstimmungen in den Regionalplan aufzunehmen, dann wäre er verbindlich.

Plädiert die Landesregierung auch dafür?

Die neue Landesregierung sieht das ähnlich wie unsere alte: Wir wollen den Wildwuchs verhindern.

Gibt es denn auch positive Beispiele in NRW?

Na, in Düsseldorf ist es noch schön, da wohnen und kaufen die Menschen in der Altstadt. Nur leider ging das Kino auf der Königsallee kaputt. Moers hat eine attraktives Zentrum, das Bochumer Bermuda-Dreieck ist auch gut. Leuchtendes Beispiel ist der Prenzlauer Berg in Berlin: Dort ist auch die Geburtenrate 20 Prozent höher als im Durchschnitt.

INTERVIEW: ANNIKA JOERES