Multis gegen Geisterstädte

Der Handelsverband von Kaufhäusern wehrt sich gegen Shoppingmalls: Das Land solle neue Zentren verhindern. Doch Städte bauen munter weiter, Sanktionsmöglichkeiten gibt es keine

aus ESSENANNIKA JOERES

Handelsketten fordern von der Landesregierung ein hartes Vorgehen gegen neue Einzelhandelsflächen. „Wir müssen den Wildwuchs in den Städten verhindern“, sagte Rolf Pangels, Geschäftsführer des Handelsverbandes BAG, gestern in Essen. Zur BAG gehören große Marken wie Sinn und Leffers, Karstadt und P&C. „Die Kaufkraft sinkt und trotzdem suchen viele Einzelhändler immer noch ihr Heil in der Fläche“, sagt Pangels. Im vergangenen Jahr seien 200.000 Quadratmeter neue Verkaufsflächen hinzu gekommen. Das Ruhrgebiet könne keine weiteren Shoppingcenter verkraften. „Wenn alle klotzen, sterben Vielfalt und kleine Geschäfte.“

Pangels Forderungen bedeuten eine Wende in der Konzernpolitik: Bisher profitieren die großen Ketten von neuen Shopping-Flächen: Ob im Oberhausener Centro, im Bochumer Ruhrpark oder im geplanten Dortmunder Bahnhofsumbau zum „3do“ – die Filialen der Ketten sind mit von der Partie. Pangels gibt zu: „Wir befinden uns in einem Dilemma.“ Sicher müssten sich die BAG-Mitglieder auch an die eigene Nase fassen. Sein Verband spreche sich ja immer für Bürokratieabbau und einfache Verfahren aus. „Aber wir sagen auch: Bestehende Gesetze müssen enger ausgelegt werden.“ Zum Beispiel sollten die regionalen Einzelhandelskonzepte, nach denen sich die Kommunen bei großen Projekten absprechen sollten, konsequent angewandt werden. „Notfalls soll das Land Subventionen kürzen.“

Auch das Städtebauministerium steckt offensichtlich in einem Dilemma. Bisher ist die kommunale Planungshoheit unangetastet. „Eine pauschale Begrenzung ist nicht das richtige Mittel“, sagt Sprecherin Heike Dongowski. „Aber die kommunale Verantwortung hört da auf, wo benachbarte Städte von eigenen Projekten betroffen sind.“ Ob deshalb bald neue Sanktionsmöglichkeiten der Landesregierung beschlössen würden, sei noch nicht klar.

Nach Berechnungen der Düsseldorfer Bezirksregierung liegen Pläne für Einkaufsflächen von über 200.000 Quadratmetern allein im Ruhrgebiet in der Schublade. So will Essen für 300 Millionen Euro im April mit dem Bau des Einkaufszentrums Limbecker Platz beginnen, eine der größten Investitionen in Europa. „Ein Meilenstein für Essen“, frohlockt Bürgermeister Wolfgang Reiniger (CDU). Im angrenzenden Mülheim wird das direkt am Wasser gebaute „Ruhrbania“ tausende neue Quadratmeter zur Verfügung stellen. Und in Köln haben die Kalk Arkaden schon 2005 für Konkurrenz unter den Geschäften gesorgt: 40.000 Menschen kaufen täglich in der Mall. „Unsere Umsätze sind eingebrochen“, sagt Uwe Klein, Geschäftsführer des Kölner Einzelhandelsverbandes. Besonders die Bekleidungsgeschäfte litten.

Bei dem Versuch, eine Vergrößerung des ohnehin schon riesigen Oberhausener Centro zu verhindern, hat sich die Bezirksregierung Düsseldorf gerade erst einen Rüffel abgeholt. Sie klagte zusammen mit den umliegenden Städten vor dem Oberverwaltungsgericht Münster gegen die geplanten 30.000 Quadratmeter neue Verkaufsfläche in der überdachten Mall und verlor (siehe Interview). Das letzte Wort ist allerdings noch nicht gesprochen. Jetzt urteilt das Bundesverwaltungsgericht Leipzig. „Die Entscheidung steht kurz bevor“, sagt Sprecher Wolfgang Sailer zur taz. Oberhausen jedenfalls sieht schon die Bagger rollen: „Wir haben gute Karten und werden bauen“, sagt Stadtsprecher Rainer Suhr.