CDU schießt den Vogel ab

Trotz Belegen, dass der Kormoran nicht der Aal-Killer Nummer eins ist, hält Schleswig-Holsteins Umweltminister an der umstrittenen Verordnung fest, die den Abschuss des geschützten Tiers erlaubt

von Esther Geißlinger

Schuld hat nur der Kormoran. Hans Brauer weiß das ganz genau. Der einzige Berufsfischer auf dem Nordostseekanal sieht die Vögel schließlich ständig. In ganzen Schwärmen gehen sie auf das Gewässer nieder und fressen seinen Fisch. Sagt er. Wenn Landwirtschaftsminister Christian von Boetticher (CDU) nun eine Kormoran-Verordnung erlässt, in der die Wasservögel zum Abschuss freigegeben werden, findet Hans Brauer das mehr als gut. „Man muss sie ja nicht gleich ausrotten, aber auf ein vernünftiges Maß bringen.“ Vor allem wegen des profitablen Geschäfts mit Aal sei das notwendig. Und dass keiner der 20 professionellen Binnenfischer im Land mehr vom Fischfang leben könne – wegen des Kormorans.

Doch Studien zeigen, dass der Kormoran gar kein Aal-Killer ist. Werden „Speiballen“ aus den Mägen der Vögel untersucht, finden sich in Schleswig-Holstein in nur fünf Prozent der Proben Reste vom Aal. Die Kormorane tauchen vor allem nach Weißfischen – für Fischer kaum interessant. In einem Gutachten des Umweltforschungszentrums Leipzig-Halle heißt es: „Der Nachweis von Schäden wurde als geführt angesehen, wenn Kormorane im Gewässer nach Nahrung suchen. Schäden wurden unterstellt, nicht im Einzelnen belegt.“

Den Aal dezimiert nach einem Bericht der Zeitung „Betrifft Natur“ nicht der Kormoran, sondern ein aus Fernost eingeschleppter Parasit. Ein weiteres Problem: Es kommen immer weniger Aale im Norden an, weil die Jungtiere vorher massenhaft abgefangen und in Zuchtfarmen gesteckt werden. Auch Fischer Brauer muss das zugeben. „Aber früher konnte man Jungtiere kaufen und in den Seen aussetzen. Heute landen da 200, 300 Kormorane und fressen sich dick. Seen zu besetzen, nur um den Kormoran zu füttern, ist Blödsinn.“

Doch wissenschaftliche Beweise hin oder her, von Boetticher hat in der Kormoran-Verordnung verfügt: „Zur Abwendung erheblicher fischereiwirtschaftlicher Schäden und zum Schutz der heimischen Tierwelt wird allgemein zugelassen, Kormorane durch Abschuss zu töten.“ Geballert werden darf „vom 1. August bis 31. März, zwischen einer Stunde vor Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang“. Außerdem dürfen „Fischereiberechtigte“ rund um ihre Gewässer „Kormorankolonien in der Bildungsphase“ stören. Schließlich handele es sich beim Kormoran um eine „besonders, aber nicht streng geschützte Art“.

Nicht nur Umweltschützer und die Grünen wollen die Verordnung verhindern, auch der ehemalige Landesnaturschutzbeauftragte Roger Asmussen (CDU). Er trat Anfang des Jahres von seinem Posten zurück, weil von Boetticher weder bei der Jagd- noch bei der geplanten Kormoran-Verordnung auf seine Kritik hören wollte. Asmussen und sein Beirat hatten im November einstimmig gegen die Verordnung gestimmt, unter anderem, weil die „Abschuss- und Vergrämungsmaßnahmen die heimische Tierwelt beeinträchtigen“ könnten. Und weil die gesamten Kormoranbestände des Landes durch die flächendeckende Bekämpfung gefährdet seien und die Vögel einen ökologisch wichtigen Beitrag leisteten, in dem sie Weißfische fingen. Auch diese Argumente ließ das Ministerium nicht gelten. „Reine Lobbypolitik“, schimpft der umweltpolitische Sprecher der Grünen, Karl-Martin Hentschel. Die Verordnung sei rechtswidrig, und der Plan, dass in der Brutzeit Kolonien „vergrämt“ werden dürften, verstoße gegen EU-Vogelschutzrichtlinien. Die Grünen könnten die Verordnung nur mit einer „Normenkontrollklage“ verhindern. Doch dafür müsste ein Drittel der Landtagsabgeordneten vor das Verfassungsgericht ziehen. Bei einer großen Koalition ein schier aussichtsloses Unterfangen. Dennoch wolle seine Partei entsprechende Gespräche führen, so Hentschel. Denkbar sei auch eine Mitteilung an die EU-Kommission.

Hans Brauer wird die Daumen drücken, dass von Boetticher hart bleibt. Dabei hätte der Fischer selbst nichts von der Verordnung: Im Kanal, einer internationalen Wasserstraße, darf nicht geschossen werden.