Romane mit Esoterik und Kokain

SERIENTÄTERIN Leicht verpeilt und ziemlich am Ende: Die Amerikanerin Sara Gran hat „die beste Ermittlerin der Welt“ erfunden und ist damit in Deutschland unglaublich erfolgreich

Manches Skurrile aus dem ersten Band nimmt nun eine dunklere Färbung an

Glänzende Augen bekommen BuchhändlerInnen sowie KritikerInnen derzeit beim Anblick eines Sara-Gran-Romans. In schwindelerregend schneller Folge sind die ersten beiden Bände um „die beste Privatdetektivin der Welt“, die koksende, esoterisch verpeilte Claire DeWitt, auf Deutsch erschienen. Claire DeWitt ist ein Riesenhit. Für den ersten Band, „Die Stadt der Toten“, der 2012 erschien, gab es den Deutschen Krimipreis. Der zweite DeWitt-Roman wurde im Anschluss an den Überraschungserfolg des ersten fast schneller ins Deutsche übersetzt, als die LeserInnen das erste Buch vom Nachttisch räumen konnten.

Während „Das Ende der Welt“ schon seit März in deutschen Buchhandlungen zu haben ist, wird übrigens das Original in den USA erst im Juni erscheinen, was wieder einmal zeigt, welch ein überhitztes Business das Büchermachen hierzulande sein kann, und wie enttäuschend wenig die deutschen Verlage dem Langzeitgedächtnis ihrer UserInnen trauen. Die Autorin selbst ist, wie sie im Gespräch mit dem Magazin Bücher bekannte, recht verblüfft über den großen Erfolg, den sie mit Claire DeWitt in Deutschland hat. In den USA sei „Die Stadt der Toten“ auch gut gelaufen, aber nicht so sensationell.

Im ersten Roman schlägt die beste Detektivin der Welt sich durch das von „Katrina“ verwüstete New Orleans, nimmt Drogen in moderaten Dosen und orakelt sich mit allerlei New-Age-Hokuspokus die nächsten Spuren auf der Suche nach einem Vermissten herbei. Zwischendurch wird ausführlich aus Claires Bibel des Detektivhandwerks, dem rätselhaften Handbuch „Détection“ des sagenumwobenen Jacques Silette, zitiert. Das ist ziemlich skurril und ein wunderbarer Extrabonus zur spannend aufgezogenen Krimihandlung, die zwei Ebenen hat, denn neben dem aktuellen Fall, den Claire zu lösen hat, wird in Rückblenden ein weiterer Fall eines ungeklärten Verschwindens erzählt: Claires Jugendfreundin Tracy ist einst, im Alter von 17 Jahren, auf den Straßen von Brooklyn verschollen. Dieser Erzählfaden wird auch im zweiten Band weitergeführt.

Doch manches, was im ersten Band noch unter den Skurrilitätsbonus fiel, nimmt im zweiten Claire-DeWitt-Abenteuer eine dunklere Färbung an. „Das Ende der Welt“ spielt in San Francisco, wo Claire lebt, und wo ihr Exfreund Paul, ein mäßig bekannter Musiker, ermordet aufgefunden wird. Pauls Witwe beauftragt Claire mit Ermittlungen, in deren Verlauf die Detektivin sich an den Rand des Zusammenbruchs kokst. Esoterisches spielt kaum eine Rolle in diesem Roman, es gibt kein I Ging und nur sehr wenig Silette, doch dafür um so mehr Drogen und Sex – zwei Dinge, mit denen Claire sich ablenkt von dem ultimativen Schmerz, in den Pauls Tod sie gestürzt hat. Da die Detektivin selbst als Ich-Erzählerin fungiert und meisterhaft ihre wahren Gefühle vor sich selbst verbirgt, dauert es eine raffinierte Weile, bis man merkt, wie sehr am Ende die Heldin eigentlich schon ist.

Nach diesen zwei Bänden zu urteilen, sind die Claire-DeWitt-Romane durchaus mehr als eine herkömmliche Krimireihe. Gran bedient sehr versiert das Gesetz der Serie, wie es in amerikanischen TV-Formaten perfektioniert wurde. Ihre Heldin ist nicht statisch angelegt, sondern macht, wie sich abzeichnet, eine Entwicklung durch. Zum anderen bildet zwar jeder Band eine in sich geschlossene Folge, zusätzlich ziehen sich aber zwei bislang ungeklärte Handlungsstränge durch beide Romane: das Verschwinden der jungen Tracy, über das wir in „Das Ende der Welt“ viele neue seltsame Details erfahren, sowie, noch rätselhafter, das bisher erst vage angerissene, ebenfalls nie aufgeklärte Verschwinden des Kindes von Detektiv-Guru Jacques Silette persönlich. Außerdem fragt man sich seit Band Nr. 1 eigentlich auch, was wirklich hinter dem plötzlichen Tod von Claires Mentorin Constance stand.

Oh ja, sie kann ihr Zeug, diese Sara Gran, und sie wird uns lange bei der Stange halten. Denn wir hier in Deutschland, wir lieben sie einfach, die guten amerikanischen Serien. KATHARINA GRANZIN

Sara Gran: „Das Ende der Welt“. Aus dem Englischen von Eva Bonné. Droemer, München 2013, 367 Seiten, 14,99 Euro