Übergriffe jahrelang vertuscht

MISSBRAUCH Dritter Jesuiten-Pater räumt sexuelle Belästigung von Schutzbefohlenen in Hamburg ein. Immer mehr Opfer melden sich

Eine Mutter beschuldigte den Priester, ihre Tochter betatscht zu haben. Die Beschwerde blieb ohne Folgen

Am Mittwoch ist bekannt geworden, dass ein dritter Jesuiten-Pater sexuelle Übergriffe gegen jugendliche Schutzbefohlene zugegeben hat. Bernhard E. war von 1981 bis 1983 als Lehrer und Jugendseelsorger an der Hamburger Sankt-Ansgar-Schule beschäftigt und hat dort nach der Aussage eines Betroffenen mehrere Jungen belästigt. Der Pater betreute auch Ferienfreizeiten.

Zuvor war der Mann bereits in Berlin und Hannover als Religionslehrer und Jugendseelsorger tätig gewesen. Missbrauchshandlungen an Minderjährigen gestand er bislang für die Zeit seiner Tätigkeit in Hannover ein, nachdem er mit den Beschuldigungen von drei Opfern konfrontiert worden war. Der Geistliche wurde daraufhin mit sofortiger Wirkung vom priesterlichen Dienst suspendiert und hat sich inzwischen selbst angezeigt.

Am Mittwoch meldete sich bei Friedrich Stolze, dem heutigen Leiter der Schule, ein weiteres Opfer und beschuldigte den Geistlichen, ihm und anderen Jungen während eines Zeltlagers pornografische Bilder gezeigt zu haben. Er sei auch Opfer des Paters Wolfgang S. geworden, der von 1979 bis 1982 an der Sankt-Ansgar-Schule unterrichtete und den Skandal ins Rollen gebracht hat. „Ich vermute, dass es weitere Benennungen geben wird“, sagte Stolze. Bislang sind drei Missbrauchsfälle an der früheren Jesuitenschule bekannt geworden.

Der deutsche Provinzial des Ordens, Stefan Dartmann, hat sich inzwischen bei den Opfern im Namen des Ordens offiziell entschuldigt. Mit Bestürzung reagierte auch der Hamburger Erzbischof Werner Thissen auf die Vorfälle an der Sankt-Ansgar-Schule. „Es haut mich um. Es ist furchtbar, ganz furchtbar.“, sagte er.

Es bedürfe „starker geistiger und psychischer Anstrengung, ruhig und sachlich mit diesen Vorfällen umzugehen“, sagte Thissen dem Hamburger Abendblatt. Dabei stehe für ihn nicht der Schaden für die Kirche im Vordergrund. „Vielmehr denke ich an den Schaden für die einzelnen Betroffenen“, sagte der Erzbischof. Er habe die Mitarbeiter des Erzbistums zu mehr Wachsamkeit aufgerufen. Seiner Meinung nach hätten die Jesuiten „schnell und konsequent reagiert“. „Die Jesuiten unternehmen alles für eine schnelle Aufklärung“, erklärte Thissen.

Dagegen wurde inzwischen bekannt, dass im Falle der beiden zuerst bekannt gewordenen Täter bereits Anfang der 1990er Jahre viel vertuscht worden ist. Der heute 65-jährige Wolfgang S. hatte bereits 1991 seine Verfehlungen dem Orden gestanden, der dann aber auf eine strafrechtliche Verfolgung verzichtete. Gegen einen zweiten Priester erhob 1992 die Mutter einer 14-Jährigen den Vorwurf, er habe ihre Tochter unsittlich berührt. Auch diese Beschwerde blieb ohne juristische Konsequenzen. Die Deutsche Bischofskonferenz will sich bei ihrer bundesweiten Vollversammlung Ende Februar mit dem Skandal beschäftigen. MARCO CARINI